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Das alte Dresdener Hoftheater zu Wagners Zeiten
Gemälde: J. C. A. Richter

Kein richtiges Leben im falschen

26. November 2015

Richard Wagners Oper „Der fliegende Holländer“ – Opernzeit 12/15

Eine Mann und eine Frau wollen ihrem bisherigen Leben entfliehen: Der rastlos Getriebene sucht Liebe und Heimat, sie will der Enge ihres Dorfes entkommen. Beide verlieben sich. Kann es eine gemeinsame Zukunft geben?

Senta ist eine Träumerin, der Alltag in dem Dorf am Meer ödet sie an, ihren Verehrer Erik, ein Außenseiter wie sie selbst, liebt sie nicht wirklich, auch wenn sie ihm einst ihre Liebe gestand. Ihre Sehnsucht richtet sich auf den sagenumwobenen fremden Mann, dessen Bild an der Wand der Spinnstube hängt, den Fliegenden Holländer, der verflucht und unerlöst über die Weltmeere irrt. Eines Tages landet der Ersehnte tatsächlich an der Küste des dänischen Dorfes und verliebt sich sogleich in Senta: In ihr sieht er die lang ersehnte Frau, die ihn durch Liebe von seinem zur Heimatlosigkeit verfluchten Dasein erlösen kann, und Senta schwört ihm ewige Treue. Ihr Vater forciert die Verbindung mit dem reichen Fremden. Erik stellt Senta zu Rede. Der Holländer wird Zeuge der Unterredung und glaubt sich betrogen wie von all den anderen Frauen vor ihr. Enttäuscht sticht er wieder in See, sie stürzt sich vom Felsen in das Meer.

Dieses tragische Ende der 1843 in Dresden uraufgeführten Oper komponierte Wagner fast 20 Jahre später für die Aufführungen in Paris um. Im Orchesternachspiel erklingt ein versöhnlicher Schluss, den Wagner mit der Regieanweisung versieht, dass die unglücklich Liebenden in verklärter Gestalt dem Meer entsteigen.

Der „Fliegende Holländer“ steht in der Tradition der Gespensteroper des 19. Jahrhunderts, in der die Dämonie der Natur und die Erlösung eines Außenseiters von zentraler Bedeutung sind. Angeregt zu der Komposition wurde Wagner durch ein autobiografisches Erlebnis. 1839 verliert er seine Stellung als Kapellmeister in Riga und bricht im Sommer nach Paris auf. Er muss den Seeweg über London nehmen, da man ihn auf deutschem Boden per Steckbrief wegen seiner ungetilgten Schulden sucht. Auf der Überfahrt gerät er in schwere Seenot. Das tobende Meer und die Rufe der Mannschaft inspirierten ihn zu den gewaltigen Matrosenchören, schreibt Wagner später in seinen Memoiren. Im Herbst liest er Heines „Aus den Memoiren des Herren Schnabelewopski“, wobei die Fabel vomFliegenden Holländerseine besondere Aufmerksamkeit auf sich zieht und ihm als Vorlage des Librettos dient, das er selbst verfasst. Die Ironie Heines beseitigt Wagner jedoch zugunsten einer existentiellen Dramatik. Der Holländer wird zum faustischen Charakter. Sentas Unbedingtheit der Liebe, die in ihrer berühmten Ballade, dem Kernstück der Oper, zum Ausdruck kommt, bestimmt von Anfang an die Handlung und ihr Schicksal: Sie knüpft ihre ganze Existenz an diese Liebe, doch er misstraut ihr und flieht in Angst vor Enttäuschung. Das gibt ihr die Kraft für einen letzten Akt der Selbstbehauptung: „Hier stehe ich – treu dir bis zum Tod“, schreit sie dem Fliehenden hinterher und nimmt sich das Leben. Es gibt kein richtiges Leben im falschen.

„Der fliegende Holländer“

Oper Bonn | R: Walter Schütze | Fr 25.12. 18 Uhr, Fr 8.1. 19.30 Uhr | 0228 77 80 08

Aalto-Musiktheater Essen | R: Barrie Kosky | Sa 9.1., Sa 16.1. 19 Uhr (WA) | 0201 812 22 00

Kerstin Maria Pöhler

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