Auf Bildern sehen wir eine selbstbewusst wirkende Dame. Augusta Holmès musste gehörig durchsetzungsstark sein, denn für eine Frau war es im 19. Jahrhundert nahezu unmöglich, in das streng auf Männer fokussierte Feld der Komposition vorzudringen. Doch dem 1847 in Paris geborenen Multitalent von irisch-englischen Eltern gelang es sogar, die heiligen Hallen der Pariser Oper zu erobern: 1895 hatte dort die letzte ihrer vier Opern Premiere, „La Montagne Noire“ („Der schwarze Berg“). Holmès hatte ein „lyrisches Drama“ von geradezu wagnerischen Ausmaßen geschaffen.
Die deutsche Erstaufführung an der Oper Dortmund ist mit einer Dauer von dreieinhalb Stunden angekündigt. Holmès hat ihr Libretto selbst geschrieben und dabei offenbar an Richard Wagner gedacht, den sie zusammen mit ihrem musikbegeisterten Vater nach der Uraufführung von „Das Rheingold“ 1869 in Tribschen „bis spät in die Nacht“ (Cosima Wagner) besuchte. Ihre musikalische Sprache ist von Wagner und ihrem Lehrer César Franck beeinflusst. Im Gegensatz zu ihren Orchesterwerken – sie schrieb u. a. die sinfonischen Dichtungen „Irlande“ und „Pologne“ – stieß die Musik von „La Montagne Noire“ nur auf gebrochene Gegenliebe.
Detaillierte Rezensionen äußern gemischte Gefühle, die Orchestrierung wird als langweilig und grau beschrieben. Auch das Libretto erfährt Kritik. Die Geschichte handelt von zwei Kämpfern aus Montenegro, die sich im Krieg gegen die Türkei ewige Treue schwören und so zu Brüdern werden. Der eine, Mirko, trifft auf ein türkisches Mädchen und verfällt ihr in leidenschaftlicher Liebe, verlässt seine Verlobte und sein Land. Am Ende rächt der andere der Schwurbrüder, Aslar, den Verrat, tötet Mirko und dann sich selbst.
Die deutsche Erstaufführung in Kooperation mit dem Palazzetto Bru Zane, dem in Venedig ansässigen Zentrum für französische romantische Musik, wird zeigen, inwieweit zeitgenössische Urteile über diese einzige veröffentlichte Oper von Augusta Holmès zutreffen – oder ob sie nicht eher von der Geringschätzung einer komponierenden Frau geprägt sind. Die Inszenierung auf einer Bühne von Frank Philipp Schlößmann übernimmt die junge Emily Hehl, die in Essen Giuseppe Verdis „Macbeth“ auf die Bühne gebracht hat. Am Dirigentenpult steht der Erste Kapellmeister Motonoro Kobayashi.
La Montagne Noire | 13., 19., 24.1., 17.2., 11.4.,10.5. | Oper Dortmund | 0231 502 72 22
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