Stalin soll sich über die drastische Vergewaltigungsszene amüsiert haben. Doch nach der Vorstellung hat er einem Journalisten angeblich gesagt, die soeben gesehene Oper sei „Wirrwarr und keine Musik“. Zwei Tage später, am 28. Januar 1936, erschien eine vernichtende Kritik in der „Prawda“. Überschrift: „Chaos statt Musik“. Damit war das Schicksal von Dmitri Schostakowitschs ehrgeiziger und sehr erfolgreicher „Lady Macbeth von Mzensk“ besiegelt: Aufführungsverbot in der Sowjetunion, Ende der Karriere als Opernkomponist für Schostakowitsch und in der Folge ständige Angst vor der dogmatischen Kulturpolitik der Kommunisten und der unberechenbaren Stimmungslage des Diktators.
Inzwischen gehört „Lady Macbeth von Mzensk“ zum Repertoire aller großen Opernhäuser weltweit. Nun ist – im Vorfeld von Schostakowitschs 50. Todestag 2025 – die Katastrophe einer einsamen Frau in einer erbarmungslos rohen Welt am Theater in Hagen in der Urfassung von 1932 und in russischer Sprache zu sehen. Eine gewaltige Herausforderung, der sich Intendant Francis Hüsers als Regisseur und Hagens GMD Joseph Trafton stellen.
In der Oper nach einer Novelle von Nikolai Leskow gerät Katerina, die „Lady Macbeth“ (in Hagen Viktorija Kaminskaite), nicht aus Machtgier in den Sog des Mordens, sondern aus Verzweiflung über die Lieblosigkeit ihres Mannes Sinowi und wegen des tyrannischen Sadismus ihres Schwiegervaters Boris. Die bleierne, schwermütige Langeweile ihres Daseins erstickt ihre Lebensfreude. Ihre ausgeprägte sexuelle Lust kann sie nur mit dem Angestellten Sergej stillen, mit dem sie schließlich ihren Ehemann umbringt. Dessen Leiche wird beim Hochzeitsfest mit Sergej entdeckt.
Zu Zwangsarbeit verurteilt, muss Katerina während des Transports ins Lager entdecken, dass Sergej eine neue Liebschaft hat. Bewusst demütigt er Katerina, worauf sie sich selbst und die junge Konkurrentin in einen reißenden Fluss stürzt. Schostakowitsch zeichnet mit einer drastisch schildernden, psychologisch feinsinnigen, aber auch Momente der Groteske genüsslich ausmalenden Musik das Charakterbild einer Frau, die sich in einer Welt ohne Liebe zu behaupten versucht und mit ihren verzweifelten Ausbruchsversuchen scheitert.
Lady Macbeth von Mzensk | 18. (P), 26.5., 12., 23., 28.6. | Theater Hagen | 02331 207 32 18
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