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Cordula Kablitz-Post

Mediale Selbstausbeutung

01. Januar 2009

Cordula Kablitz-Post über "Christoph Schlingensieff - Die Piloten" - Gespräch zum Film 01/09

Cordula Kablitz-Post hat seit Mitte der 90er Jahre als Produzentin und Filmemacherin über 100 Beiträge für das Fernsehen gemacht (u.a. „Durch die Nacht ...“). Seit 20 Jahren arbeitet sie immer wieder mit Christoph Schlingensief zusammen, u.a. bei den Talkshows „Talk 2000“ und „U3000“. „Christoph Schlingensief - Die Piloten“ ist ihr erster abendfüllender Film.

choices: Frau Kablitz-Post, Sie waren vor zehn Jahren bei „Talk 2000“ als Regisseurin mittendrin, nun drehen sie als Regisseurin einen Film über Schlingensiefs aktuelles Talkshow-Projekt „Die Piloten“. Aus welcher Perspektive erscheint der Tumult auf der Bühne chaotischer?
Cordula Kablitz-Post: Der Tumult auf der Bühne bei „Talk 2000“ war chaotischer, weil weder Christoph Schlingensief TV-Erfahrung als Moderator hatte noch ich als Regisseurin und Produzentin einer Talkshow. Vieles entstand als Idee eine Stunde vor der Aufzeichnung oder währenddessen. Pannen gehörten zum Konzept. Bei „Die Piloten“ wussten wir um all diese Mechanismen, die bei „Talk 2000“ gut funktioniert hatten. Als ich mich aber entschieden hatte, dieses Mal nicht Produzentin der Talkshow zu sein, sondern Regisseurin eines Dokumentarfilms über Christoph Schlingensief, war mein Fokus ein anderer. Ich interessierte mich mehr für die Dinge, die vor und nach den Aufzeichnungen passierten.

Schlingensiefs „Die Piloten“ erforscht die Inszenierung von Talkshows. Ihrer Dokumentation könnte man die gleiche Frage nach der Inszenierung stellen. Ein selbstreflexives Moment erkenne ich im eingestreuten Schnellrücklauf der Bilder ...
Die Grundidee war zu zeigen, wie manipulativ Schnitt sein kann. Beim Schnitt von „Talk 2000“ war mir sehr wichtig, Schlingensief als faszinierende Medienpersönlichkeit charmant und dreist zugleich zu zeigen und das teilweise Nervige und redundant Langweilige wegzuschneiden. Bei den Piloten hingegen habe ich ihn in den Situationen gezeigt, die ihn in meinen Augen als Mensch und Künstler charakterisieren und zeigen, wie schwierig die Gratwanderung ist, wenn man sich den Medien mit Haut und Haaren ausliefert, so wie er das seit vielen Jahren macht. Dabei nicht alles auszuverkaufen, etwas für sich zurückzubehalten, was einem wirklich etwas bedeutet, diese Erkenntnis kommt ihm erst später im Film. Den Tod seines Vaters öffentlich zu thematisieren, hat ihm die Grenzen der medialen Selbstausbeutung bewusst gemacht.

Christoph Schlingensief ist natürlich selbst der größte Meister der Inszenierung, wenn auch in ständiger Selbstreflexion und ohne das Ideal eines widerspruchfreien Bildes. Hätte man nicht auch seine Selbstinszenierung stärker attackieren können?
Ich finde, dass Christoph Schlingensiefs Widersprüchlichkeit im Film sehr klar wird. Denn auch die Selbstinszenierung wird immer wieder durch das Zurück- und Vorspulen der Zeitebenen gebrochen. Darüberhinaus zeigt der Film ihn natürlich auch sehr verletzlich und emotional. Es hat noch nie einen Film über ihn gegeben, der ihm so nah kommen durfte.

Gibt es eine Reaktion von Christoph Schlingensief auf die Dokumentation? Da Christoph seine eigene Wirkung immer sehr genau kalkulieren möchte, wird er bei Dingen, die er nicht kontrollieren kann, zunächst sehr ängstlich. Die Diskussionen über den Film mit ihm waren erst euphorisch, dann sehr schwierig. Ich hoffe, dass er seinen Frieden mit dem Film macht, wenn er ihn noch mal mit Abstand sieht.

INTERVIEW: CHRISTIAN MEYER

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