Kinokalender
Mo Di Mi Do Fr Sa So
16 17 18 19 20 21 22
23 24 25 26 27 28 29

12.581 Beiträge zu
3.811 Filmen im Forum

Teufel in Schwesterntracht: Faust sieht sein Leben vorbeiziehen
Foto: Thomas Jauk

Mit dem Teufel durch die Kanalisation

27. Oktober 2016

John Fulljames inszeniert Gounods „Faust“ in Dortmund – Oper in NRW 11/16

Man könnte meinen, Regisseur John Fulljames und Bühnenbildnerin Magdalena Gut hätten sich von einer der größten Baustellen im Ruhrgebiet inspirieren lassen. Einen Raum wie jenen, in dem dem alten Faust sein Leben noch einmal vor dem inneren Auge vorbeizieht, kennt der geneigte Lokalzeitungsleser überall längs der Emscher: ein riesiges unterirdisches Regenwasser-Reservoir mit gewaltigen Ein- und Ausläufen sowie Entlüftungsschächten an die Oberwelt. Auf den Bildern aus der echten Welt stehen behelmte Ingenieure in den unwirtlichen Riesenhallen und verkünden das nahende Ende der Riesenkloake im Bett der Emscher. Auf der Bühne der Dortmunder Oper erwartet Faust – in der Adaption von Charles Gounod – offensichtlich sein eigenes baldiges Ende. Neben dem ledernen Chefsessel, in dem der Alte sich nur noch mühsam aufrecht hält, steht der Infusionsständer. Überwacht wird der Tropf von einer großen Schwester mit knallroter Mähne. Eine stattliche Erscheinung. Gar eine Transe? – Nein, es ist der Teufel persönlich, der sich da in dieses irreale Krankenzimmer eingeschlichen hat.

Die Szene hat etwas schrill Komödiantisches, denn auch der alte Faust sieht mit seinem grauen Zauselbart arg verkleidet aus. Doch die Regie kriegt noch einmal die Kurve. Schauspieler und Sänger tauschen als alter und junger Faust geschickt die Rollen. Und mit dem jungen Faust beginnt eine ganze Reihe von Episoden, die durch den tristen, aber praktischerweise auch sehr neutralen Gedächtnispalast schwappen. Das Konzept hat seine Schwächen. Einen plausiblen Pakt mit dem Teufel kann es darin nicht geben. Dieser fungiert nur noch als innerer Dämon und böse Schicksalsmacht, die vor allem Margaretes Schicksal konsequent dem Abgrund entgegentreibt. Bass Luke Stoker, der sich als Méphistophélès mit Karl-Heinz Lehner und Morgan Moody abwechselt, kann sich eher stimmlich als szenisch hervortun. Immerhin ist das Regiekonzept Fulljames´, des Co-Directors von Covent Garden, solide und handwerklich gut umgesetzt. Musikalisch ist die Produktion sogar wirklich herausragend. Lucian Krasznec, der zu dieser Saison eigentlich schon nach München gewechselt ist, kommt für sein Rollendebüt als Faust noch einmal nach Dortmund zurück. Ein Glücksfall: Sein Faust ist kraftvoll und strahlend. Eleonore Marguerre kann als Marguerite ihren eh schon exzellenten Ruf ein weiteres Mal unterstreichen. Jugendliche Leichtigkeit und dramatische Kraft gelingen ihr gleichermaßen und eröffnen ein enormes Ausdrucksspektrum.

Auch in den kleineren Partien lässt dieser Faust nichts zu wünschen übrig. Die Mezzosopranistinnen Illeana Mateescu und Almerija Delic überzeugen als Siébel und Marthe ebenso wie Bariton Gerardo Garciacano, der sich mit Sangmin Lee die Rolle des Valentin teilt. Auch am Pult steht mit dem Ersten Kapellmeister Motonori Kobayashi einer der Dortmunder Spitzenkräfte und serviert romantischen Klangzauber ohne Makel.

„Faust (Margarete)“ | R: John Fulljames | Do 3.11., Fr 11.11.19.30 Uhr | Opernhaus Dortmund | 0231 50 27 222

Karsten Mark

Hat Ihnen dieser Beitrag gefallen? Als unabhängiges und kostenloses Medium sind wir auf die Unterstützung unserer Leserinnen und Leser angewiesen. Wenn Sie uns und unsere Arbeit finanziell mit einem freiwilligen Betrag unterstützen möchten, dann erfahren Sie über den nebenstehenden Button mehr.

Neue Kinofilme

Mufasa: Der König der Löwen

Lesen Sie dazu auch:

Triumph der Güte?
„La Cenerentola“ in Essen und Hagen – Oper in NRW 12/24

Goldene Flügel der Sehnsucht
Großes biblisches Drama: „Nabucco“ an der Oper Köln – Oper in NRW 12/24

Besiegt Vernunft die Leidenschaft?
„Orlando“ an der Oper Köln – Oper in NRW 11/24

Unerwartet Kaiserin
„Der Kreidekreis“ in Düsseldorf – Oper in NRW 11/24

Horror und Burleske
Die Spielzeit 24/25 am Gelsenkirchener MiR – Oper in NRW 07/24

Opern-Vielfalt am Rhein
„Nabucco“ eröffnet in Düsseldorf die Spielzeit 2024/25 – Oper in NRW 06/24

„Kritische Auseinandersetzung mit der Kolonialzeit“
Kapellmeister Hermes Helfricht über Werner Egks „Columbus“ an der Oper Bonn – Interview 06/24

Welt ohne Liebe
„Lady Macbeth von Mzensk“ am Theater Hagen – Oper in NRW 05/24

Die Gefahren der Liebe
„Die Krönung der Poppea“ an der Oper Köln – Oper in NRW 05/24

Absurde Südfrucht-Fabel
„Die Liebe zu den drei Orangen“ an der Oper Bonn – Oper in NRW 04/24

Grund des Vergessens: Rassismus
Oper von Joseph Bologne am Aalto-Theater Essen – Oper in NRW 03/24

Verpasstes Glück
„Eugen Onegin“ in Bonn und Düsseldorf – Oper in NRW 02/24

Oper.

HINWEIS