Gewalt, Ausbeutung, Versklavung – das sind Worte, die man nicht mit den Niederlanden der Gegenwart verknüpfen würde. Das Land gilt in vielen Bereichen, beispielsweise der Altersversorgung, als europäisches Vorbild. Doch gut 250 Jahre lang gehörte die Republik der Vereinigten Niederlande zu den größten Kolonialmächten der Welt. Die Schatten der gewaltgeprägten Vergangenheit durchziehen noch heute Kultur, Gesellschaft und Stadtbilder, wo sie alte Narrative fortschreiben. Insbesondere durch die Black-Lives-Matter-Bewegung werden die Stimmen lauter, die sich für einen kritischen Umgang mit der niederländischen Erinnerungskultur einsetzen.
Ausbeutung von Natur und Menschen
Im Zentrum aktueller Debatten steht vor allem die Kritik am „Goldenen Zeitalter“. Der Begriff beschreibt das 17. Jahrhundert als Blütezeit der Niederlande, in der Wirtschaft, Kunst und Kultur florierten. Doch der schillernde Epochenbegriff verschleiert die damit einhergehende Ausbeutung von Natur und Menschen in den damaligen Kolonien, die den Aufstieg der Niederlande zu einer der größten Handelsmächte erst ermöglichte. Das Amsterdam Museum ersetzte daher im Jahr 2019 den Begriff durch die neutralere Bezeichnung „17. Jahrhundert“. Als Begründung führte das Museum an, dass die vormalige Bezeichnung eine einseitige Perspektive reproduziere.
Zwei Jahre später – im Januar 2021 – hat die niederländische Regierung offiziell bekannt gegeben, dass sich Museen künftig kritischer mit ihren Ausstellungstücken sowie dem kulturellen Erbe auseinandersetzen werden. Dazu gehört die Rückgabe unrechtmäßig erworbener Objekte aus der Kolonialzeit – sogenannter „Raubkunst“ und die Hinterfragung überkommener Darstellungen. So hat das Amsterdamer Reichsmuseum 77 Objektbeschriftungen innerhalb der Dauerausstellung geändert, um auf Bezüge zur niederländischen Kolonialvergangenheit hinzuweisen und ein Bildungsprogramm für Schulen über die Geschichte der Sklaverei entwickelt. Auch das Amsterdam Stadtarchiv beleuchtet diesen Teil der niederländischen Vergangenheit und das Museum Loon ermöglicht den Diskurs zwischen Nachfahren von Sklaven mit Nachfahren von Sklavenhaltern. Unter dem Namen Musea Bekennen Kleur (Museen bekennen Farbe) haben sich außerdem ca. 26 Museen zu einem Netzwerk zusammengeschlossen, um Diversität zu fördern und Ausstellungsräume zu dekolonialisieren.
Feiertag zur Abschaffung der Sklaverei
Dass die Schatten der Kolonial-Vergangenheit bis in die Gegenwart reichen, zeigt sich auch in den Städten. Viele Denkmäler, Straßen- und Gebäudenamen ehren nach wie vor ehemalige Kolonialherren. Durch Umbenennungen und Errichtung neuer Statuen, die die Sklaverei dokumentieren, soll künftig Licht auf diese dunklen Flecken fallen. Engagierte Bürger:innen bieten außerdem Stadtführungen an, die gezielt über die Schattenseiten der Vergangenheit aufklären.
In diesem Jahr kam eine Untersuchungskommission zu dem Schluss, dass sich die Niederlande für die Sklaverei während der Kolonialzeit entschuldigen und strukturellen Rassismus bekämpfen müssen. Den Anfang machte die Bürgermeisterin Amsterdams Femke Halsema, die sich während einer Gedenkfeier live im Fernsehen für die Rolle der Stadt während der Kolonialzeit entschuldigte. An die offizielle Abschaffung der Sklaverei am 1. Juli 1863 soll bald auch ein landesweiter Feiertag erinnern.
DEUTSCHLAND OHNE GRÖSSENWAHN - Aktiv im Thema
koelnerfriedensforum.org | Seit über 25 Jahren organisiert das Forum Bündnisse, Bildungsveranstaltungen und öffentliche Aufmerksamkeit zu den Gefahren von Krieg und Militarisierung und für Abrüstung.
museen.nuernberg.de/memorium-nuernberger-prozesse | Im Schwurgerichtssaal des Nürnberger Justizpalasts fanden die Prozesse gegen die Hauptverbrecher des Naziregimes statt. Der Saal ist Teil der umfangreichen Dauerausstellung, die die Prozesse und ihre Folgen dokumentiert.
topographie.de/topographie-des-terrors | Seit fast 35 Jahren dokumentiert und problematisiert die Stiftung in Berlin den nationalsozialistischen Terror.
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