Mitunter liegt die Lösung für ein Problem gleich vor der Haustür. Seit Jahren bemühte sich Slava Gepner, der die Tanzfaktur in Köln-Poll betreibt, um eine Dependance im Areal des Deutzer Hafens. Das Filetstück der Kölner Stadtentwicklung wird Gewerbe und Wohnen auf exklusivem Niveau mit Dom-Blick bieten. Kultur sollte eigentlich dort dazu gehören, wo Geld und architektonische Noblesse regieren. Aus den ambitionierten Plänen zur Erweiterung wurde jedoch nichts. Aber just im Moment des Scheiterns eröffnet sich nun eine neue Situation mit einer 1000 Quadratmeter großen Halle, die gleich vor der Tanzfaktur liegt. Immer schon hatte man sie im Blick, und nun können die alte und die neue Halle zu einem Areal zusammenwachsen.
„Ich verspüre das Bedürfnis, der Kunst ein Herz zu geben“, sagt Slava Gepner, der vor vier Jahren seine Kompanie Nova Tanz aufgab, um sich ganz der Organisation der Faktur zu widmen. Die leitet ihren Namen aus jener Möbelfaktur ab, die an gleicher Stelle über Jahrzehnte betrieben wurde. Neben den vier Studios und dem Bühnenraum, die man bisher bespielte, eröffnet sich nun die Möglichkeit, einen Bühnenraum von über sieben Metern Höhe einzurichten. Es steht zudem Platz für Werkstätten und Garderoben zur Verfügung und vor allem herrschen ideale Bedingungen für den Schallschutz und die Fluchtwege angesichts zweier großer Hallentore. Derzeit wird die bisherige Immobilie renoviert, am 12. Juli soll dann mit einem großen Fest die neue Werkshalle eröffnet werden.
Kölns Freie Szene, die im Bereich des Tanzes zu den aktivsten in Deutschland zählt, muss seit jeher den Mangel verwalten, da es kaum überzeugende Orte für diese Kunst in der Stadt gibt. Obwohl 50 Prozent der Tanzschaffenden NRWs in Köln leben, fehlt ein Tanzhaus. Die Szene ist zersplittert, was sich auch darin zeigt, dass immer dann, wenn die Fördergelder der öffentlichen Hand freigegeben werden, die Premieren unmittelbar aufeinander folgen. An einem Wochenende stehen dann gleich eine Handvoll Premieren an, die aber nur wenige Tage gespielt werden und selbst vom größten Tanz-Fan unmöglich alle wahrgenommen werden können. An solchen Tagen beschleicht einen schon einmal der Eindruck, dass hier vielleicht weniger für das Publikum als vielmehr für die Förderung und ihre Abspielbedingungen produziert wird.
Mit einem Tanzhaus ließe sich die Situation entspannen. Konrad Schmidt-Werthern, Kölns ehemaliger Kulturamtsleiter, hatte sich die Gründung eines Tanzhauses schon 2010 ehrgeizig auf die Fahnen geschrieben. Die Halle, die er dann anmietete, erwies sich jedoch als ebenso ungeeignet wie das urbane Umfeld in Mülheim. Nun steht plötzlich wieder eine Halle im Fokus, zwar wesentlich kleiner, aber praktikabel, zumal sie in Poll gleich in Sichtweite zur Altstadt liegt und der rechtsrheinische Tanzort bereits etabliert ist. Auch wenn eine ideale Lösung für die Freie Tanzszene anders aussehen würde, so wäre mit einem weiteren Ausbau der Halle ein erster Schritt getan. Dann müsste der Ort entsprechend bespielt und beworben werden. Die Stadt müsste sich engagieren und die Freie Szene muss sich klar werden, was sie will. In jedem Fall hat Slava Gepner, der dieser Szene noch nicht lange angehört, neue Tatsachen geschaffen, die eine erfrischende Herausforderung darstellen.
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