Kinokalender
Mo Di Mi Do Fr Sa So
23 24 25 26 27 28 29
30 31 1 2 3 4 5

12.582 Beiträge zu
3.812 Filmen im Forum

Außenseiter bei der Poolparty: Lisa und Hermann
Foto: Hans Jörg Michel

Der Zocker und das Mauerblümchen

25. September 2019

Tschaikowskys „Pique Dame“ in Duisburg – Oper in NRW 10/19

Selten gilt das Prinzip der Oper „Und am Ende sind dann alle tot“ umfassender als bei Tschaikowskys „Pique Dame“. Die Eine stirbt an einem Herzschlag, die Andere stürzt sich in den Fluss und auch der anfängliche Held nimmt sich – gescheitert – schließlich das Leben. Doch glücklicherweise bedeutet der Tod in der Oper ja nicht unbedingt, dass die Figur nicht mehr auftreten könnte. Und so hat die 75-jährige Hanna Schwarz tatsächlich noch einen überaus starken Aufritt als Geist eines großen Stummfilmstars, dem der zweifelhafte Held ihr größtes Geheimnis entreißen wollte: Wie man jedes Kartenspiel gewinnt.

So viel kriminelle Energie hätte man dem schüchternen Nerd Hermann gar nicht zugetraut. Eher erregt er sogar Mitleid. Denn er ist verliebt in Lisa, die Verlobte eines Fürsten – also eigentlich ein unerreichbares Ziel für ihn. Außerdem hadert er offenbar mit seiner Spielsucht, verbringt eine ganze Nacht im Kasino, ohne selber zu den Karten zu greifen. Doch es ist keineswegs ein selbstgewählter Entzug aus einem Wunsch nach Heilung heraus: Hermann wartet im Gegenteil auf seinen großen Augenblick, in dem er seinen ultimativen Coup landen will. Doch zunächst scheint es doch ein Glück in der Liebe zu geben: Lisa erhört Hermann, doch heilen wird auch sie ihn nicht. Im Gegenteil: Der Stummfilmstar, die Gräfin, ist ihre Großmutter, und wird als Hüterin des ultimativen Zocker-Geheimnisses gar noch zu ihrer Nebenbuhlerin. Das ist so verworren, da kann man nur noch den Verstand verlieren – und die tödlich-tragische Geschichte nimmt ihren Lauf.

Lydia Steier hat Tschaikowskys russischen Adel ins Hollywood der 1950er Jahre verpflanzt. Das gibt Anlass für eine wirkungsvolle Poolparty-Kulisse mit knallbunten Kostümen (Bühne: Bärbl Hohmann, Kostüme: Ursula Kudrna) und eine wirkungsvolle Inszenierung der Gräfin als charismatische Filmlegende mit übergroßem Bild über dem Bett. Aziz Shokhakimov lässt als Dirigent keine Wünsche an diese große russische Oper offen, die Tschaikowsky als Antwort auf die „Grande Opera“ der Franzosen konzipierte. Ihm gelingt mit den Düsseldorfer Sinfonikern ein klanggewaltiges und wirkmächtiges Wechselbad der Gefühle.

Elisabeth Strid ist stimmlich so gar nicht das Mauerblümchen, zu dem sie die Maske ausstaffiert. Im Gegenteil weiß sie mit ihrem dramatischen Sopran zu beeindrucken. Hanna Schwarz erfüllt als Gräfin ihre besondere Rolle mit größtmöglicher Ausstrahlung: mal als strahlende, mal als diabolisch düstere Erscheinung. Die zentralen Männerrollen des Hermann sowie des Grafen Tomski sind mit Sergey Polyakov und Sergej Khomov sowie Alexander Krasnov und Stefan Heidemann jeweils alternierend besetzt. Dmitry Lavrovsingt einen dunkel timbrierten Fürsten Jeletzki.

„Pique Dame“ | 28.9., 16.10. je 19.30 Uhr, 3.10. 18.30 Uhr, 8.12. 15 Uhr | Theater Duisburg | 0203 28 36 21 00

Karsten Mark

Hat Ihnen dieser Beitrag gefallen? Als unabhängiges und kostenloses Medium sind wir auf die Unterstützung unserer Leserinnen und Leser angewiesen. Wenn Sie uns und unsere Arbeit finanziell mit einem freiwilligen Betrag unterstützen möchten, dann erfahren Sie über den nebenstehenden Button mehr.

Neue Kinofilme

Mufasa: Der König der Löwen

Lesen Sie dazu auch:

Goldene Flügel der Sehnsucht
Großes biblisches Drama: „Nabucco“ an der Oper Köln – Oper in NRW 12/24

Triumph der Güte?
„La Cenerentola“ in Essen und Hagen – Oper in NRW 12/24

Besiegt Vernunft die Leidenschaft?
„Orlando“ an der Oper Köln – Oper in NRW 11/24

Unerwartet Kaiserin
„Der Kreidekreis“ in Düsseldorf – Oper in NRW 11/24

Horror und Burleske
Die Spielzeit 24/25 am Gelsenkirchener MiR – Oper in NRW 07/24

Opern-Vielfalt am Rhein
„Nabucco“ eröffnet in Düsseldorf die Spielzeit 2024/25 – Oper in NRW 06/24

„Kritische Auseinandersetzung mit der Kolonialzeit“
Kapellmeister Hermes Helfricht über Werner Egks „Columbus“ an der Oper Bonn – Interview 06/24

Welt ohne Liebe
„Lady Macbeth von Mzensk“ am Theater Hagen – Oper in NRW 05/24

Die Gefahren der Liebe
„Die Krönung der Poppea“ an der Oper Köln – Oper in NRW 05/24

Absurde Südfrucht-Fabel
„Die Liebe zu den drei Orangen“ an der Oper Bonn – Oper in NRW 04/24

Grund des Vergessens: Rassismus
Oper von Joseph Bologne am Aalto-Theater Essen – Oper in NRW 03/24

Verpasstes Glück
„Eugen Onegin“ in Bonn und Düsseldorf – Oper in NRW 02/24

Oper.

HINWEIS