Kinokalender
Mo Di Mi Do Fr Sa So
18 19 20 21 22 23 24
25 26 27 28 29 30 1

12.581 Beiträge zu
3.810 Filmen im Forum

Nicht Café Müller: Cinedans | Between Entrance & Exit
Foto: Presse

Vermessung der Welt im Tanzschritt

03. Februar 2016

Wuppertal positioniert sich mit einem Tanzfilm-Festival – Tanz in NRW 02/16

Ein Haus, das vier Tage nichts als Tanz bietet. Das muss man gesehen haben. Etwas Beglückendes hat diese geballte Ladung an Kreativität, Lebensfreude und ästhetischer Raffinesse, der man in Wuppertals Kulturzentrum die börse während des Internationalen Dance-on-Screen Festivals TANZRAUSCHEN begegnet. Über die Etagen hinweg konnte man am letzten Januarwochenende Clips und Filme anschauen, Videoinstallationen bewundern oder sich auf der großen Kinoleinwand im Liegestuhl das zehnstündige Tanzfilmprogramm hineinziehen.

Schauen und Machen gingen bei dieser ersten Ausgabe des Festivals aber Hand in Hand, denn in den Workshops demonstrierten Choreographen und Tänzer zum Beispiel, wie man mit Dramaturgie arbeitet oder Notationen für Tanzstücke entwickelt. Oder man spielte an der Interactive Dance Machine, die nicht nur die Kinder begeisterte. Der jeweilige Körper wird mit Lichtbahnen abgetastet, um dann die Bewegungsmuster während eines digitalen Spiels aufzuzeichnen.

In solch unbeschwerten Situationen bekommt man eine Vorstellung von der Schönheit und Eigenart alltäglicher Bewegungen. Wenn ich sie wahrnehme, bin ich schon ganz nah an den Experimenten der Tanzkunst unserer Gegenwart. Bewegung und das Spiel mit ihr, vor allem jedoch die Transformation in bedeutsame Gesten und Erzählungen sind das Futter der Tanzfilme und Clips. Das Festival zeigt denn auch, dass man im Zeitalter von YouTube keine Überzeugungsarbeit mehr leisten muss, um die Verbindung von Tanz und Filmkunst plausibel zu machen. Schon die Jüngsten verfolgen auf ihren iPhones atemberaubende Tanzeinlagen, ohne dass sie etwas daran ungewöhnlich finden würden. Wie anders war das noch in den 90er Jahren, als die SK Stiftung Kultur den Tanzfilm kontinuierlich bewarb und unters Volk brachte. Damals schon waren die Besucherzahlen der Tanzfilmnächte in Köln überwältigend. Fatal, dass man dem eigenen Spürsinn nicht traute und diese Kunstgattung der Zukunft in den Jahren nach der Jahrtausendwende wie eine heiße Kartoffel wieder fallen ließ.

In Wuppertal präsentiert sich eben auch ein Filmfestival. Die Bildexperimente eines David Hinton, eines Emir Eralp oder der niederländischen „Looking Forward Trilogie“ von Roberta Marques bescheren faszinierende Kinoerlebnisse. Bewegung bleibt für den Film immer eine Herausforderung, im digitalen Zeitalter mit seiner Klaviatur visueller Effekte stößt man hier auf ungemein intelligent konzipierte Kunstwerke. Deshalb bot man Partnerfestivals aus Athen, Amsterdam, Kapstadt, Stockholm oder Kopenhagen die Möglichkeit, ihre besten Filme in Wuppertal zu zeigen. Sofort entwickelte sich eine Zusammenarbeit mit Amsterdam für das nächste Jahr. Direktorin Kerstin Hamburg musste überrascht feststellen, dass in Deutschland das Interesse der Kreativ-Industrie größer war als im Bereich der kulturellen Förderung. Obwohl Kurator Sigurd-Christian Evers dort Kernerarbeit geleistet hat, „denn die Entscheider müssen verstehen, was hier geschieht“, erklärt er. Nur dann wird die Arbeit, die hier geleistet wird, Früchte tragen. Evers weiß dass in der kulturellen Förderung interdisziplinäre Projekte gerne angemahnt werden. Wenn sie dann jedoch ihre Realisierung erfahren, gibt es Kopfzerbrechen angesichts der Frage, mit welcher Förderschublade die Mittel zur Verfügung gestellt werden sollen. Wuppertal hat jedenfalls alles richtig gemacht, um in Zukunft einen noch stärkeren Akzent in der Tanzlandschaft setzen zu können.

Thomas Linden

Hat Ihnen dieser Beitrag gefallen? Als unabhängiges und kostenloses Medium sind wir auf die Unterstützung unserer Leserinnen und Leser angewiesen. Wenn Sie uns und unsere Arbeit finanziell mit einem freiwilligen Betrag unterstützen möchten, dann erfahren Sie über den nebenstehenden Button mehr.

Neue Kinofilme

Konklave

Lesen Sie dazu auch:

Agentenaktion
LIGNA und interaktive Spiele im Stadtraum – Tanz an der Ruhr 09/18

Die innere Mechanik des Tanzes
Die Kölner tanzsociety wirbt für die Tanzkunst – Tanz am Rhein 04/18

Der Herzschlag des Publikums
Zeitgenössischer Zirkus erobert die freie Szene – Tanz in NRW 07/17

Der Zeit zwei Schritte voraus
Das Tanztheater bodytalk wechselt von Köln nach Münster – Tanz in NRW 08/16

Aufbrechende Wunden
Von Köln und Münster bis Berlin: Festival der Cie. Toula Limnaios – Tanz in NRW 07/16

Von Jägern und Gejagten
Kölner Reihe Tanz mit Highlights im Forum Leverkusen – Tanz in NRW 06/16

Der Totentanz des 20. Jahrhunderts
„Der grüne Tisch“ in Düsseldorf als Kommentar zur Gegenwart Europas – Tanz in NRW 03/16

Das Geschlecht inszenieren
Im Genderdiskurs finanziert Köln fragwürdige Tanzstücke – Tanz in NRW 03/16

Der Blick hinter den Spiegel
Die 5. Biennale der Tanzausbildung findet in NRW statt – Tanz in NRW 02/16

Videotanz-Festival in Wuppertal
Tanzfilm als Synthese zweier unterschiedlicher Medien – Tanz in NRW 01/16

Ehrliche Haut
In „Tanzsylvanien“ spielt Sylvana Seddig um ihr Leben – Tanz in NRW 12/15

Tanz in der Nachbarschaft
Mit den ehrenfeldstudios entsteht ein neuer Tanzort in Köln – Tanz in NRW 12/15

Tanz.

Hier erscheint die Aufforderung!