Sabine, Lilith und Torben haben etwas gemeinsam: Sie landen jeden Tag im Kölner Polizeipräsidium – obwohl sie überhaupt nichts verbrochen haben. Das liegt an der polizeilichen Videoüberwachung. Erfasst werden seit 2016 die Bereiche rund um den Dom und den Hauptbahnhof, sowie Abschnitte der Ringe und mittlerweile auch der Neumarkt, Ebert-, Breslauer- und Wiener Platz. Insgesamt 80 Videokameras sind 24 Stunden im Einsatz, wie die Kölner Polizei auf ihrer Website verkündet.
Das Ziel der Videoüberwachung besteht laut Polizei darin, Straftaten zu verhindern und Köln sicherer zu machen. Sabine, Lilith und Torben glauben das nicht und haben 2018 mit anderen AnwohnerInnen die Initiative Kameras stoppen gegründet, und eine entsprechende Klage auf den Weg gebracht. Ständig eine Kamera im Nacken zu haben, das mache etwas mit ihm, sagt Torben. Er fühle sich durch die Kameras weniger frei.
Sabine ist Anwältin. Ihr Büro befindet nahe des Rudolfplatzs: „Ich laufe bei denen auf Dauerschleife. Durch die Zoomfunktion können die sogar nachvollziehen, was ich sage.“ Aus juristischer Perspektive hält sie die Videoüberwachung für eine massive Verletzung unserer Grundrechte. Das erste Problem sei die Intransparenz: „Wir wollen wissen, wie mit den Aufnahmen umgegangen wird. Aber die Polizei gibt keine Auskunft darüber, was mit dem Material im Anschluss passiert.“ Im Sinne des Rechts auf informationelle Selbstbestimmung brauche es daher insbesondere ein verbindliches Konzept zur Datenlöschung, sagt Sabine.
Zweitens gebe es keine Beweise dafür, dass die Videoüberwachung etwas bringt: „Eine seriöse Studie, in der Zahlen begangener Straftaten miteinander verglichen werden, gibt es nicht“, sagt Lilith. Laut Gesetz dürfe man Menschen erst dann filmen, wenn es einen Anfangsverdacht gibt: „Die aktuelle Praxis kriminalisiert jeden Tag tausende unschuldige Menschen.“ Die Verhältnismäßigkeit stimme nicht.
Viele seien sich über die damit verbundenen Risiken nicht bewusst:„Mich beschäftigt die Frage: was passiert, wenn dieses Instrument in die falschen Hände gerät? Angenommen, eine künftige Regierung zielt darauf ab, gewisse Menschen zu kriminalisieren?“ sagt Lilith.Auch Torben fehlt es an Problembewusstsein: „Einige sind unwissend, andere resignieren, die glauben das Rennen sei verloren und sagen, Google und Facebook wissen doch eh schon alles über mich. Aber ich sage: irgendwo muss man anfangen!“.
Während die technischen Möglichkeiten fortschreiten, sei die Debatte auf der Stecke geblieben, so Torben. Denkbar sei z. B., dass dieAufnahmen mit Hilfe bestimmter Algorithmen ausgewertet werden, um Verhaltensweisen zu definieren, die in irgendeiner Form als „verdächtig“ eingestuft werden. „Die Kameras sind der letzte Schritt, den wir noch wahrnehmen können“. Alles was dahinter und danach passiert, entziehe sich der Kontrolle der BürgerInnen. Daherfordert die Initiative: Die Kameras müssen verschwinden.
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