Auf die sakrale Anmutung im einstigen Kölner Kirchengebäude Ventana traf vor wenigen Jahren ein Solokonzert der Geigerin Midori Seiler, u.a. mit Bachs „Partita Nr. 2“. Da flogen die Noten durch Melodie und geharfte Begleitung, ein technisches Kunststück, das musikalisch beseelt wurde. Hier befreite sich die Interpretin von aller belastender Virtuosität, schwebte in einer Metaebene der Kunst. Midori Seiler erzählte mir zu Bachs Wunderwerken: „Alle berühmten Geiger haben kontinuierlich gerade diese Stücke genutzt, um ihre Fähigkeiten daran zu schulen; weil es einfach sackschwer ist.“
Das klingt so gar nicht nach esoterischem Alte Musik-Geflüster und passt deshalb prächtig zu einer von Frau Seiler als „coolstes und ungewöhnlichstes“ Festival bezeichneten Großveranstaltung, dem Zamus: Early Music Festival. Das Format stimmt auch in diesem Jahr, in dem der Kultursektor von angedrohten Kürzungen durchgeschüttelt wurde. Rund 30 Events beschäftigen sich mit dem Motto „Ekstase und Kontemplation“. Letztere entspricht dem aktuellen Zeitgeist mit einer neuen Sicht auf die Work-Life-Balance. „Oft fehlt jedoch die Gegenseite, die Ekstase“, meinte Midori Seiler in der Vorausschau auf die von ihr geleitete Ausgabe des Festivals, „das Aus-sich-Heraustreten, bei dem das eigene Ich vollkommen losgelassen wird und man in etwas Größeres eintaucht, sei es im eigenen Selbst oder im Außen.“
Das Festival startet – gewohnt allem Weltlichen zugewandt – mit dem Ensemble Marsyas Baroque und dem Flamenco-Tänzer Martí Corbera, die ein barockes Versdrama interpretieren. Die Aufführung befasst sich mit den Spannungen zwischen freiem Willen und Vorherbestimmung und verbindet Barockmusik mit Flamenco-Tanz. Ein weiteres Highlight dürfte das Konzert des Duo Pleyel werden, das Beethovens 6. Sinfonie in einer vierhändigen Klavierbearbeitung von Carl Czerny spielt.
Mit „Botanica“ zeigen Choreograf Bernd Niedecken und das Zamus:Kollektiv eine transdisziplinäre und umweltaktivistische Arbeit. Mit Musik von u.a. Henry Purcell und Jean-Féry Rebel, Barocktanz und Videoinstallationen folgt die Performance einem Prinzip der Barockpraxis: Jede Kunstsparte wird durch andere ergänzt und emporgehoben. Ein Marathon für die ganze Familie und interessierte Laien darf auch nicht fehlen: Es wird musiziert, gebastelt und getanzt.
Zamus: Early Music Festival 2025 | 21. - 31.5. | div. Orte in Köln | www.zamusearlymusicfestival.de
Hat Ihnen dieser Beitrag gefallen? Als unabhängiges und kostenloses Medium sind wir auf die Unterstützung unserer Leserinnen und Leser angewiesen. Wenn Sie uns und unsere Arbeit finanziell mit einem freiwilligen Betrag unterstützen möchten, dann erfahren Sie über den nebenstehenden Button mehr.
Großer Auftritt zum Finale
Der Pianist und Dirigent Lahav Shani in Dortmund – Klassik an der Ruhr 05/25
Kindheit zwischen Flügeln
Anna Vinnitskaya in der Kölner Philharmonie – Klassik am Rhein 04/25
Entgegen der Erwartung
4. stARTfestival der Bayer AG in Leverkusen – Festival 04/25
Über Glaubensfragen
Mendelssohns „Elias“ am Theater Krefeld-Mönchengladbach – Klassik an der Ruhr 04/25
Besuch aus Schweden
Nina Stemme singt Mahlers „Kindertotenlieder“ in Köln – Klassik am Rhein 03/25
Opernstar zum Anfassen
„Festival Joyce DiDonato & Friends“ in Dortmund – Klassik an der Ruhr 03/25
Von Heilern und Kindern
Abel Selaocoe in der Kölner Philharmonie – Klassik am Rhein 02/25
Ein absoluter Tenor
Michael Spyres in der Philharmonie Essen – Klassik an Ruhr 02/25
Die Feste feiern, wie sie fallen
Jan Lisiecki in der Kölner Philharmonie – Klassik am Rhein 01/25
Zum Auftakt ein Höllentanz
Martynas Levickis mit „Best of Piazzolla“ in Essen – Klassik an der Ruhr 01/25
Friedenslieder zum Jahresende
„Silvesterkonzert – Bernstein & Gershwin“ in der Kölner Philharmonie – Klassik am Rhein 12/24
Originelle Qualität
„Weihnachten mit Daniel Hope“ in der Philharmonie Essen – Klassik an der Ruhr 12/24
Sinfonische Vollender
Gil Shaham in der Kölner Philharmonie – Klassik am Rhein 11/24
Aus Alt mach Alt
Tage Alter Musik in Herne 2024 – Klassik an der Ruhr 11/24