Der diesjährige Berlinale-Gewinner „Dahomey“ war in mehrerer Hinsicht ungewöhnlich. Zum einen handelt es sich um einen Dokumentarfilm. Zum anderen hat die Regisseurin Mati Diope nicht nur afrikanische Wurzeln, sie verhandelt auch afrikanische Themen. Doch Afrika ist im westlich geprägten Kinodiskurs eine Randerscheinung. Diope hingegen hatte bereits mit ihrem Vorgänger, dem Drama „Atlantique“, 2019 den Hauptpreis in Cannes gewonnen. Mit „Dahomey“ begleitet sie nun den Rückführungsprozess von während der Kolonialzeit geraubten Kulturgütern ins heutige Benin und filmt auch eine Diskussion von Studierenden zum Thema.
Der Film, der auch beim Afrika Film Festival zu sehen ist, steht exemplarisch für das diesjährige Programm, das vom 19. bis zum 29. September zum 21. Mal in Köln Filme afrikanischer Herkunft zeigt. Der Fokus dieser Ausgabe heißt „Legacy“ (übers.: „Vermächtnis“). Dass der Kolonialismus mitschwingt, ist naheliegend, aber das Programm erschöpft sich nicht in Diskursen zu Kolonialismus und Postkolonialismus. So beschäftigt sich der Film „The Nights still smell of Gunpowder“ von Inadelso Cossas mit den Folgen des Bürgerkriegs in Mosambik, der nach 500 Jahren als portugiesische Kolonie ab 1975 in dem Land gewütet und es in die Armut getrieben hat. Auch „Death of a Saint“ aus Uganda widmet sich einer traumatischen Vergangenheit – hier geht es allerdings um eine persönliche Erinnerung der Regisseurin Patricia Bbaale Bandaks. Neben den dokumentarischen Ansätzen zeigt das Festival auch zahlreiche Spielfilme.
Auf eine selbstreflexive Art widmet sich das Afrika Film Festival auch dem filmischen Vermächtnis des Kontinents und zeigt Klassiker und wegweisende Filme aus den letzten Dekaden. Darunter sind „Xala“ (1974) des vielfach als Vater des afrikanischen Kinos gepriesenen Senegalesen Ousmane Sembène und die beiden Kurzfilme „Contras‘ City“ (1969) und „Badou Boy“ (1970) seines früh verstorbenen Landsmanns Djibril Diop Mambéty. Mit „Un Dessert pour Constance“ von 1981 ist auch ein Film von Sarah Maldoror zu sehen, die Mitte der 60er Jahre als Assistentin für Gillo Pontecorvo bei dessen Klassiker „Schlacht um Algier“ assistierte und 1970 mit ihrem Debütspielfilm den ersten afrikanischen Film einer Frau drehte. Ein Kurzfilmprogramm ergänzt das Angebot des Festivals. Zum Festivalprogramm gehören seit jeher einige Preise, darunter der von choices ausgelobte mit 1000 Euro dotierte Preis für den besten Spielfilm.
Der Blick auf das Vermächtnis Afrikas geht aber weit über die Filmscreenings hinaus. Man denkt unwillkürlich an die studentischen Diskussionen in „Dahomey“, wenn das Festival unter dem Titel „Restitution in Film“ in die Aula der Kunsthochschule für Medien zu einer Diskussion über das afrikanische Filmerbe einlädt und kritisch auf die aktuelle Situation blickt, dass viele Filme in westlichen Archiven lagern und die Filmemacher:innen nicht einmal die Rechte an ihren eigenen Filmen besitzen. Ein weiteres Panel lädt unter dem Titel „Picking a Protagonist – the personal, the peculiar and the (un)popular“ zur Diskussion über die Perspektive, Objektivität und Subjektivität im Dokumentarfilm ein. Und nach den Screenings im Filmprogramm stehen viele der extra angereisten Filmemacher:innen für Q&A‘s und Diskussionen zur Verfügung.
21. Afrika Film Festival | 19. - 29.9. | div. Orte in Köln | www.afrikafilmfestivalkoeln.de
Das komplette Programm finden Sie tagesaktuell hier.
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