„Öffnen Sie ihre Augen!“, beschwört der Conferencier das Publikum. Dann geht der Vorhang in der Bonner Oper auf. Wozu? Am liebsten würde man ihn wieder schließen und von jenen die Sinne betörenden „La Cage aux Folles“-Openings vieler Aufführungen – selbst an kleinen Theatern – träumen, die mit zum Markenzeichen dieses Musicals von Jerry Herman geworden sind, das nach dem gleichnamigen Bühnenstück (1973) und Film (1978) entstand und 1983 Premiere am Broadway feierte. Es erzählt die Geschichte des „normalen“ Homosexuellen Georges und des Transvestiten Albin, die seit 20 Jahren zusammenleben. Als Georges‘ Sohn in eine sittenstrenge Politiker-Familie einheiraten will, versuchen sie, für den Besuch der Brauteltern eine gutbürgerliche Fassade vorzutäuschen.
In Bonn ist man von Beginn an eher abgeturnt, wenn sich die Cagelles-Tänzerinnen im Hintergrund lasziv hinter einem Gitter räkeln. Und so verpufft auch ihre gesungene, ironisierende Warnung („und unter dem Rock, krieg keinen Schock“), mit der sie sich, an die Rampe tänzelnd, als Männer zu erkennen geben, in der Kraftlosigkeit einer Choreographie, die nie über die Qualitäten eines Fitness-Studio-Tanzangebots hinausragt.
Dass das Musical nicht gerade DAS Genre des renommierten Opern-Regisseurs John Dew ist, zeigt sich auch daran, dass er die zentrale Nebenrolle, Georges‘ und Albins „Zofe“ Jakob, gestrichen hat. Das kostet viele Lacher. Genauso lässt Dew die Vorstellung der Cagelles mit ihren persönlichen (sexuellen) Vorzügen unter den Tisch fallen. Dafür darf einer seiner Cagelles – und das ist schon der „erotische Höhepunkt“ seiner Inszenierung – ständig die Zunge lüstern herausschnellen lassen, dass man schon Angst bekommt, der Arme leide an einem Zungen-Tourette. Immerhin überzeugen Mark Weigel (Georges) und Dirk Weiler (Albin), wenn sie sich die Pointen zuspielen. Und Franz Nagler läuft als homophober Politiker zu Boulevard-Hochform auf. Aber Musical-Schwung will sich einfach nicht einstellen. Wohl auch, weil das Orchester viel zu dünn besetzt ist.
Diese Sorgen hat Stefan Hüfner, der musikalische Leiter des TiC-Theaters nicht: Er hat für „La Cage aux Folles“ satte und dennoch musikalisch differenzierte Arrangements aufgenommen, die sich an den 70er-Jahre-Sound analoger Synthesizer anlehnen. Die kommen zwar aus der „Konserve“, was den finanziellen und räumlichen Möglichkeiten der kleinen Wuppertaler-Bühne geschuldet ist, reißen einen aber direkt mit. Auch weil das (Laien-)Ensemble mit so viel Spiellust bei der Sache ist, dass man sich bald selbst im „La Cage aux Folles“-Nachtclub wähnt. Und André Klem (Georges) und Robert Cramer (Albin) sind ein so berührendes Liebespaar, dass einem nicht erst beim Showstopper „Ich bin, was ich bin“ die Tränen in die Augen schießen. Regisseur Patrick Stanke, selbst ein bekannter Musical-Star versteht es eben, mit seinen eingeschränkten Möglichkeiten kongenial umzugehen und das Genre optimal zu bedienen.
„Ein Käfig voller Narren/La Cage aux Folles“
14.11., 15.11., 20.12. 19.30 Uhr | Opernhaus Bonn | www.theater-bonn.de
6.11., 8.11., 13.11., 15.11., 21.11., 27.-29.11. je 20 Uhr & 9.11., 16.11., 23.11. je 19 Uhr | TiC Theater Wuppertal | www.tic-theater.de
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