Hatte sich Andrew Webber schon 1973 durch die Lobeshymne „Reich an geistigen Werten“ vom Radio Vatikan für Jewisons Verfilmung seiner Rock-Oper geadelt gefühlt, so würde ihm sicherlich auch Gil Mehmerts Interpretation wie Butter runtergehen. Sie nimmt ihn so wahr, wie er sich selber gerne sieht: Als modernen Opern-Komponist. Die Entscheidung, das vollständig durchkomponierte Stück in englischer Sprache singen zu lassen, verstärkt dieses Bemühen noch. Warum man allerdings mit dem Verzicht auf Obertitel – außer einigen spärlichen Szene-Überschriften – das Publikum nicht bei diesem „Experiment“ mitnimmt, bleibt ein Rätsel.
Mehmerts Inszenierung gibt dem Regietheater kräftig Zucker: Durch ein, an ein Fußballstadion oder TV-Studiotribünen erinnerndes, ganz in Schwarz gehaltenes, Bühnenbild (Beatrice von Bomhard) wuselt eine Jesus-Fangemeinde, deren Stimmung aber sehr schnell umschlägt, wenn der drogenabhängige Showmaster Pontius Pilatus (wunderbar zynisch: Mark Weigel) auf den Plan tritt, um die Massen zu manipulieren. Zur Medienkritik gesellt sich dann noch die an der Gesellschaft: Auf eine Leinwand werden Dokumentaraufnahmen von Auschwitz über Vietnam bis hin zu 9/11 projiziert, die Hohepriester schweben wie graue Stasi-Agenten vom Himmel und Jesus wird leidensendlich in einem orangenen Guantanamo-Häftlingsoverall ans Kreuz genagelt. Solche mit dem pädagogischen Zeigefinger daherkommenden Regieeinfälle haben der gute Lloyd Webber und das Publikum nun wahrlich nicht verdient. Mehmerts Stärken liegen ohnehin mehr in der Inszenierung kleiner Musicals, die er meist mit seinen Studenten von der Folkwang Universität der Künste in Essen auf die Bühne bringt (u.a. „Der Mann, der durch die Wand ging“).
Dieses spielfreudige Ensemble hat er hier kongenial in den Chor und Jugendchor des Theater Bonn integriert und ihm so die übliche Opernchor-Trägheit ausgetrieben. Außerdem fungieren die jungen Schauspielschüler als Jünger und Frauen um Jesus, müssen aber auch für eine peinliche Modenschauszene (mit nackter Brustattrappe) auf dem in den Zuschauerraum ragenden Kreuz herhalten.
Ein Coup ist Mehmert mit der Besetzung einiger Hauptrollen gelungen. Für die Titelrolle konnte man den aktuellen Tod aus der Wiener Inszenierung „Elisabeth", Mark Seibert, ausleihen, der anfangs zwar etwas bubihaft wirkt, sich dann aber immer mehr in das Charisma seiner Figur hineinspielt. Sein weicher Tenor kommt vor allem in der gefühlvoll interpretierten Ballade „Gethsemane“ zur Geltung, während er bei den harten Rocknummern („Heaven On Their Minds“) David Jacobs (als Judas) gesanglich den Vortritt lassen muss.
Patricia Meeden bringt als Maria Magdalena das Kunststück fertig, dass die Augen des Publikums nicht die Oberhand über die Ohren gewinnen, wenn sie sich zu „I Don’t Know How To Love Him" entblättert und zu Jesus ins Bett steigt. Und Dirk Weiler setzt mit seiner selbst choreographierten Steppnummer zum kabarettartigen „King Herod´s Song“. Ein weiteres Highlight des Abends.
Infos: 0228 77 80 08
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