Der renitente Rentner Lothar Dombrowski ist in seinem Element: Er will „Tage des Zorns“ heraufbeschwören, um den Kampf Arm gegen Reich auszutragen, anstelle des im „Methusalem-Kompott“ von Frank Schirrmacher zusammengerührten, vermeintlichen Konflikts zwischen Alt und Jung. Da ist es nur konsequent, dass er eine Selbsthilfegruppe „Altern heißt nicht trauern“ gegründet hat. Alter und Tod sind zentrale Themen von Georg Schramms neuem Soloprogramm „Meister Yodas Ende“. Nach seinem „Ausbruch“ aus der ZDF-„Anstalt“ muss sich Schramms wohl bekannteste Bühnenfigur Dombrowski zwar mit den Problemen einer heraufziehenden Demenz befassen. Doch von Altersmilde ist er weit entfernt. Vielmehr sucht er den Pakt von Vernunft und Zorn. „Empört euch“, das ist die Grundstimmung des Abends – und der Titel einer inzwischen sehr bekannten Streitschrift des 93-jährigen Stéphane Hessel. Dombrowski empfiehlt die Lektüre, mit ihrem Umfang von knapp 30 Seiten sei sie „genau richtig für unsere Altersgruppe, das kriegen wir noch hin“. Wer nach weiteren trefflich formulierten Begründungen für den Zorn sucht, wird sogar in der Kirchengeschichte fündig – wenn man bei der Suche nur lange genug zurückgeht: "Die Vernunft kann sich mit größerer Wucht dem Bösen entgegenstellen, wenn der Zorn ihr dienstbar zur Hand geht", zitiert Dombrowski Papst Gregor den Großen (540-604).
Die derzeitige Bundesregierung mit dem Bösen gleichzusetzen wäre allerdings eindeutig „zu viel der Ehre“, die sei höchstens ein „Furunkel am Gesäß des Bösen“. Die wahren Schurken seien vielmehr dort zu finden, wo die Habgier regiere, unter den Investmentbankern und Spekulanten. Denn, so die einleuchtende Definition Dombrowskis, für den Habgierigen ist nicht der Besitz, sondern der Erwerb entscheidend. Er braucht wie ein Süchtiger immer mehr. Wie eine Regierung auf Spekulanten reagieren sollte, die sich verzockt haben, demonstriert Dombrowski anhand der so genannten Tulpenzwiebel-Blase von 1637. Auch damals forderten die Spekulanten nach dem Platzen der Blase finanzielle Unterstützung, doch sie bekamen sie nicht. In einer Regierungserklärung stellte die damalige Regierung der Niederlande klar, dass für Spielsüchtige nicht sie zuständig sei, sondern - der Arzt. Den brauchen Georg Schramm und seine grandiosen Bühnenfiguren nicht. Zwar ist die Prognose für Dombrowski nicht günstig, doch dafür lässt Alt-Sozialdemokrat August es noch einmal richtig krachen. Und Oberstleutnant Sanftleben ist ohnehin eine Klasse für sich.
August, das hessische Sozi-Urgestein, ist inzwischen Witwer und sitzt am liebsten im Schrebergarten – wo auch die Urne seiner Frau nach der nächtlichen Ausgrabung auf dem Friedhof verbuddelt ist. Überzeugendes Argument seiner Kumpel für die Umbettung: „Wenn dei Frau zuguggt, hältste den Gadde besser in Schuss“. Scharf schießen tut August sowieso, um mit dem Luftgewehr Spatzen und Elstern von den Kirschbäumen zu vertreiben. Seine Treffsicherheit verbessert er nebenbei laufend - mit Schüssen auf „Bild“-Titelbilder, auf denen Sarrazin, Ackermann & Co. abgebildet sind.
Oberstleutnant Sanftleben spricht als Dombrowskis „Gastreferent“ über „Deutsches Blutvergießen – wozu?“ in Afghanistan. Inzwischen sei die Lage dort so, dass selbst der „von uns gekaufte“ Präsident Karsai die deutschen Truppen am liebsten wieder los wäre. Was bleibe für die Bundeswehr noch zu tun, „Pausenaufsicht in den Mädchenschulen führen“? Auch Stratege Sanftleben scheint ratlos. „Deutschland wird am Hindukusch verteidigt“ habe der damalige Verteidigungsminister Struck gesagt. Bei den Taliban hingegen laute die Devise inzwischen „Afghanistan wird im Sauerland verteidigt“ – einer der „kleinen Scherze“, für die Sanftleben berühmt ist. Die durchschlagende Wirkung des Oberstleutnants hat fraglos mit der überzeugenden schauspielerischen Leistung zu tun, die Schramm als Sanftleben immer wieder hinlegt. Joviales Lächeln, exakte, abgezirkelte Bewegungen, schneidige Sprache, tadellos sitzende Uniform und Barett – als Kontrast dazu nach der Pause ein, nun ja, „aufgeräumter“ Oberstleutnant, der sich im Offizierscasino schon das eine oder andere Gläschen genehmigt hat und über „den Araber“ („da hat Karl May uns wohl Scheiße erzählt“), global gewaltbereite Jungmänner („Testosteron kennt keine Religion – kleiner Scherz“) und „Massenschutzwaffen“ doziert. Weitere Höhepunkte des fast dreistündigen Programms sind Dombroskis Reflexionen über die nahende „Ziellinie“ Pflegeheim, die „emotionale Pissrinne“ Fernseh-Talkshow, Meister Yodas vermeintliche „Kraft der Worte“ – und nicht zu vergessen Augusts bei „Schlecker“ fröhlich revoltierende Rentner-Gang.
Georg Schramm hat seine Fernsehpause bestens genutzt. „Meister Yodas Ende“ knüpft da an, wo er mit seinem vorigen Programm „Thomas Bernhard hätte geschossen“ aufgehört hatte, und verfeinert seine ohnehin schon hervorragend ausgearbeiteten Bühnenfiguren noch ein Stück weiter. Ein Besuch bei nächster Gelegenheit sei hiermit nachdrücklich empfohlen.
Georg Schramms kommende Termine
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