Freitag, 26. August: Bei „See the Sound“, dem Filmfestival von SoundTrack_Cologne, fand die Deutschland-Premiere von „I Go Back Home – Jimmy Scott“ statt über den nahezu vergessenen, amerikanischen Jazz-Sänger Jimmy Scott (1925-2014), der mit seinem gefühlvollen Gesang seine Zuhörer bezauberte. „Little Jimmy Scott“ hörte aufgrund einer Krankheit mit 12 auf zu wachsen, hatte eine kleine Statur und rauhe Sopranstimme, die die Seele des Blues ausdrückte. Er war mit Billie Holiday und Charlie Parker befreundet, arbeitete mit Lionel Hampton und Ray Charles zusammen. Nach einem Karriereknick rückte er in den 1990ern erneut ins Rampenlicht. Bereits mit 18 besaß der Düsseldorfer Musikproduzent Ralf Kemper seine Platten. Doch erst 2006 traf er den Sänger persönlich und lauschte seiner einzigartigen Stimme. Damals entstand die Idee, ein Album mit der letzten Ikone des „Golden Age of Jazz“ zu produzieren. Dass daraus auch ein Film hervorging, war eher Zufall. Kemper lud den jungen Filmemacher Yoon-ha Chang ein, ihn nach Las Vegas zu begleiten. Dort erlebte er jedoch einen Schock: Der damals 85-jährige Jimmy Scott saß nach einem Unfall apathisch im Rollstuhl. Aus seinem Mund kam nur ein Krächzen. Das Projekt schien zu Ende, bevor es begonnen hatte.
In dem anschließenden Gespräch im Filmforum NRW erinnert sich Ralf Kemper: „Ich dachte nur ‚Mein Gott‘. Ich wusste um Jimmys finanzielle Lage. In diese Situation kam der Musiker, Schauspieler und Oscar-Preisträger Joe Pesci und riss Jimmy aus der Lethargie. Er wirkte wie eine Energiespritze.“ Kemper beschloss, weiterzumachen. Ein Studio wurde gemietet, Musiker und ehemalige Weggefährten wie Quincy Jones und James Moody wurden eingeladen mitzuspielen. Das Wunder geschah: Jimmy Scott blühte auf. Es ist zugleich der Wendepunkt des Films, der bis dato mit verwackelten, unscharfen Kameraeinstellungen eher irritiert hatte. In dem Moment, als der alte, gebrechliche Jazz-Virtuose die ersten Takte singt, halten die Zuseher – im Studio wie im Kinosaal – den Atem an. Es berührt, ergreift, bewegt.
Beim nächsten Song brandet spontan Zwischenapplaus auf. Das über die Leinwand transportierte Gefühl korrespondiert mit den Aussagen der Produktionsbeteiligten: „Das Besondere an dem Film war die Begegnung mit Jimmy Scott. In dem Moment, in dem er einen Raum betrat, veränderte sich die Stimmung. Sein Spirit beeindruckte die Menschen.“ Obwohl der Sänger über weite Teile des Films kaum spricht, vermitteln seine Gestik und Mimik seine Hingabe an die Musik und ihre Botschaft. Ray Charles sagte über ihn: „Dieser Mann weiß alles über Gefühle. Er definierte, was es heißt, dem Gesang eine Seele zu geben, lange bevor irgendjemand dieses Wort benutzte.“
Es ist diese Magie, die Ralf Kemper veranlasst weiterzumachen, obwohl sich der Produktion zahlreiche Hindernisse in den Weg stellen: Berühmte Musiker sagen ihre Teilnahme ab, ein wichtiger Produzent lehnt die Vermarktung des Albums ab, die Kosten explodieren. Das Projekt zog sich über sieben Jahre, der Schnitt von 750 Stunden Material dauerte anderthalb Jahre, erzählt Regisseur Yoon-ha Chang. Noch ist unklar, ob die Produktionskosten je hereinkommen werden. Am 4. November wird Kemper die entstandenen Musikaufnahmen veröffentlichen. Die Zuseher im Filmforum NRW dankten ihm bereits jetzt mit tosendem Applaus und bewegten Worten. So wird Jimmy Scotts Aussage nach einem Leben voller Höhen und Tiefen zum Wegweiser: „Behalte Dein Vertrauen!“
Bei der Preisverleihung am Sonntag erhielt der Film den Musikdokumentarfilmpreis.
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