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Moritz Terwesten zu Gast im Filmhaus Köln.
Frank Brenner

Über die Todesangst

20. März 2025

„Sterben ohne Gott“ im Filmhaus – Foyer 03/25

Mittwoch, 19. März: Seit dem 13. März ist in den Kinos Moritz Terwestens Dokumentation „Sterben ohne Gott“ zu sehen, die sich mit dem Verständnis der menschlichen Sterblichkeit und der damit verbundenen Todesangst auseinandersetzt. Für sein Langfilmdebüt hat der 28jährige Filmemacher mit Philosophen, Physikern, Biologen, Bestattern und Medienschaffenden gesprochen, um das Thema, das gesellschaftlich nach wie vor gerne verdrängt wird, von den unterschiedlichsten Blickwinkeln zu beleuchten. Noch vor der Projektion des Films im Kölner Filmhaus merkte Kinoleiter Dirk Steinkühler an, dass die folgenden 80 Minuten vollgepackt seien mit Informationen, die auf vielfältige Weise zum Nachdenken anregen würden. So war anschließend im ausverkauften Kinosaal das Interesse an einer Diskussion mit Moritz Terwesten wie zu erwarten groß. Steinkühler nahm zunächst Bezug auf einige Kritiken, in denen moniert wurde, dass der Regisseur mitunter selbst im Film auftaucht und wie ein weiterer Interviewpartner wirkt. Terwesten begründete dies damit, dass es zwischen den einzelnen Akten des Films semantische Übergänge gebraucht hätte, die er mit diesen kurzen Auftritten vor der Kamera ermöglicht habe. Sein Interesse am Stoff sei bei ihm schon früh geweckt worden, weil er einen guten Freund bereits in jungen Jahren verloren habe und auch insgesamt in seiner Jugend bereits vergleichsweise oft mit dem Thema Tod konfrontiert worden sei. Deswegen habe er sich in das Thema eingearbeitet, und auch sein Philosophiestudium habe darüber hinaus dazu beigetragen, dass er sich intensiv mit dem Thema der menschlichen Sterblichkeit auseinandergesetzt habe.


Dirk Steinkühler im Gespräch mit Moritz Terwesten, Foto: Frank Brenner

Fragen der Repräsentanz

Eine der Grundthesen, die in „Sterben ohne Gott“ zur Sprache kommen, besteht darin, dass der Mensch, als er erstmals seine eigene Sterblichkeit erkannt habe, Religion und Kunst erst erfunden habe. Beide wären ohne das Wissen um die eigene Endlichkeit eigentlich nicht denkbar gewesen. Dennoch kommt in Terwestens Film kein Theologe zu Wort, was aus dem Publikum im Filmhaus kritisiert wurde. Der Regisseur relativierte diese Kritik, indem er sagte: „Über 50% der Deutschen leben mittlerweile konfessionsfrei, und die Zahlen steigen weiter ständig. Was ein Theologe zum Thema beigetragen hätte, wäre darüber hinaus ohnehin nichts Neues gewesen.“ Im Hinblick auf Repräsentanz im Film kam der Regisseur auch der Kritik zuvor, dass keiner seiner wissenschaftlichen Gesprächspartner eine Frau sei. Das wäre durchaus nicht so beabsichtigt gewesen, aber von seinen Wunsch-Gesprächspartnerinnen hätte er ausnahmslos nur Absagen erhalten, weswegen dies im Film nun einen etwas verzerrten Anschein erweckt. Aber „Sterben ohne Gott“ wartet auch mit namenlosen Gesprächspartnern von der Straße auf, unter denen sich auch etliche Frauen finden. Hier musste sich Terwesten im Endschnitt allerdings auf Straßenumfragen in den USA und Toronto beschränken, da dort „pointiertere Aussagen“ gemacht wurden, weswegen die Umfragen in Deutschland durchweg im finalen Film keine Verwendung mehr fanden. Wichtig war es dem Regisseur, nicht nur hinsichtlich seines eigenen Berufs, auch Medienschaffende wie Jörg Buttgereit oder Wolfgang M. Schmitt zu Wort kommen zu lassen. Denn „Tod und Sterben sind medial geradezu omnipräsent, während sie hingegen im Alltag komplett verdrängt werden“, so Terwesten.


Moritz Terwesten beantwortet Publikumsfragen, Foto: Frank Brenner

Konsequent apolitisch

Dirk Steinkühler hatte noch einige Fragen bezüglich der filmischen Gestaltung. Die kurzen Animationssequenzen zwischen den Kapiteln erinnerten ihn an die Titelgestaltungen des berühmten Saul Bass („Psycho“), was Moritz Terwesten bestätigen konnte. Diese Elemente seien als Hommage an Bass angelegt gewesen, die verwendeten Farben dabei wiederum zollten Bass‘ Vorbild Mark Rothko Tribut. Abgesehen von diesen Zwischensequenzen gibt es in „Sterben ohne Gott“ lediglich Schwarz-Weiß-Bilder zu sehen. Dies sei nicht nur dem Konzept mit den an Saul Bass gemahnenden Animationen geschuldet gewesen, sondern hätte darüber hinaus noch einen praktischen Grund gehabt. Da die Interviewsequenzen mit verschiedenen Kameras gedreht worden waren, hätte man die Aufnahmen in der Post-Produktion ohnehin einem Farbmatch unterziehen müssen. Da war das Umschwenken auf Schwarz-Weiß die elegantere und auch ästhetisch schlüssige Variante. Beim Publikumsgespräch im Filmhaus erläuterte Terwesten darüber hinaus: „Ich wollte den Film konsequent apolitisch halten und habe deswegen auch beispielsweise die Sterbehilfe nicht angesprochen. Es war mir wichtig, mit dem Film möglichst viele unterschiedliche Menschen zu erreichen.“ Dass dabei einige interessante weitere Aspekte im Film ausgeklammert bleiben, wurde vom Publikum angesprochen. So gibt es beispielsweise keine Szenen über den respektvollen Umgang mit Alten oder Sterbenden, auch die Tatsache, dass durch die Sterblichkeit die Dinge und das eigene Leben erst ihren Wert erhalten, hätten einige Zuschauende gerne im Film angesprochen gesehen. Moritz Terwesten relativierte diese Einwände, da bei einem solch großen Thema immer einzelne Aspekte außen vor bleiben müssten, um den ohnehin schon prall mit Ideen und Überlegungen gefüllten Film nicht zu überfrachten.


Das ausverkaufte Filmhaus-Kino, Foto: Frank Brenner
Frank Brenner

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