Kinokalender
Mo Di Mi Do Fr Sa So
18 19 20 21 22 23 24
25 26 27 28 29 30 1

12.581 Beiträge zu
3.810 Filmen im Forum

Jonas Rothlaender, Nicola Perot und Saara Kotkaniemi (v.l.)
Foto: Marina Wudy

Liebe und Macht

07. Oktober 2024

choices preview zu „Power of Love“ in der Filmpalette – Foyer 10/24

Ein altes Paar, das sich auf einer Bank gegenübersitzt; er spielt Saxophon, sie betrachtet ihn mit verliebtem Blick. Die erste Einstellung von „Power of Love“ zeigt das vermeintliche Idealbild einer heterosexuellen Beziehung, wie es lange gelebt wurde: der Mann als Macher, die Frau als passive Bewunderin. Gefilmt ist die Einstellung aus Sicht von Robert (Nicola Perot), der vor Kurzem zu seiner Partnerin Saara (Saara Kotkaniemi) nach Helsinki gezogen ist. Die beiden sind in ihren 30ern. In ihrer Beziehung versuchen sie, nicht in klassische Rollenbilder zu fallen. Stattdessen stehen sie in Konkurrenz zueinander – und geraten dadurch in Konflikte: Etwa wenn Robert eine Absage für ein Stipendium im Rahmen seiner Doktorarbeit erhält, während Saara einen großen Schritt nach vorne in ihrer wissenschaftlichen Karriere macht. Oder wenn Robert und Saara beim Sex regelmäßig mit Unterwerfung und Dominanz spielen.


Saara Kotkaniemi, Nicola Perot und Jonas Rothlaender mit Dirk Steinkühler, GF der Filmpalette (v.l.), Foto: Marina Wudy

„Ich wollte einen Film über Machtdynamiken in modernen Beziehungen machen“, sagt Regisseur Jonas Rothlaender bei der Vorstellung seines Films mit den beiden Hauptdarsteller:innen in der Filmpalette. Roberts Umzug zu Saara nach Finnland ist eine Erfahrung, die direkt aus Rothlaenders Leben kommt. Auch er sei vor einigen Jahren der Liebe wegen nach Finnland gezogen und habe sich intensiv mit den Auswirkungen auf das Machtgefälle innerhalb der Beziehung auseinandergesetzt. In seinem Film macht Rothlaender früh deutlich, worum es ihm geht, etwa wenn er Robert beim Schreiben seiner Doktorarbeit am PC zeigt und auf dem Bildschirm die Wörter „Subversion“ und „hierarchische Ordnung“ auftauchen, während neben ihm auf dem Schreibtisch Michel Foucaults Essaysammlung „Power“ liegt. Dennoch wirkt nichts davon plakativ, fügt sich vielmehr in das bewusste Spiel mit Machtdynamiken ein, das die beiden Figuren betreiben. So wie sie miteinander spielen, spielt auch die Kamera und die Erzählung mit den Zuschauer:innen. Nachdem Rothlaender die Konflikte des Paares etabliert hat, lässt er ihnen freien Lauf – bis es schließlich beim Urlaub auf einer einsamen Insel zum Höhepunkt kommt. Kotkaniemi und Perot schaffen es dabei, trotz aller theoretischen Verhandlung von Machtfragen zugleich die Betroffenheit, den Schmerz und die gegenseitige Zuneigung der beiden Hauptcharaktere zu vermitteln. 

Schonungsloser Blick auf Beziehungsdynamiken

So wirft „Power of Love“ die Frage auf, ob wirkliche Gleichberechtigung innerhalb einer (heterosexuellen) Beziehung möglich ist – ohne sie abschließend zu beantworten. Dass der Film damit – wie von Rothlaender gedacht – als „gesellschaftlicher Spiegel“ dient, zeigen die Fragen beim Publikumsgespräch nach der Vorstellung. Sie drehen sich um die weitere Entwicklung der Beziehung zwischen Saara und Robert, um die Freiwilligkeit ihrer Entscheidungen, um Opfer und Täter, und um Kotkaniemis und Perots Sympathie gegenüber ihren Figuren. „Es gibt bei diesem Thema keine einfachen Antworten“, betont Rothlaender. „Es ist auch nicht wichtig, ob Saara und Robert am Ende zusammenbleiben oder nicht – sie gehen verändert aus dieser Erfahrung heraus, das zählt.“ 

„Power of Love“ befasst sich mit der Wechselwirkung zwischen Liebe und Macht, zwischen Zuneigung und Abgrenzung. Der Film ist in seiner Intensität schonungslos. Dass er zugleich nicht in die Hoffnungslosigkeit abdriftet, ist vor allem dem nuancierten Spiel der beiden Hauptdarsteller:innen und den wunderschönen Bildern der finnischen Natur zu verdanken, die ihm eine warme Grundstimmung verleihen.

Marina Wudy

Hat Ihnen dieser Beitrag gefallen? Als unabhängiges und kostenloses Medium sind wir auf die Unterstützung unserer Leserinnen und Leser angewiesen. Wenn Sie uns und unsere Arbeit finanziell mit einem freiwilligen Betrag unterstützen möchten, dann erfahren Sie über den nebenstehenden Button mehr.

Neue Kinofilme

Konklave

Lesen Sie dazu auch:

Sozialismus und Sextourismus
Preview: „Vamos a la playa“ in der Filmpalette

Innere Mauern fallen lassen
„Cidada“ in der Filmpalette

Neue Filme aus der neuen Welt
Südamerika steht im Fokus von Kino Latino Köln – Festival 11/19

Seelischer Striptease
„Pink Elephants“ in der Filmpalette – Foyer 01/19

Traum vom besseren Leben
„Lucica und ihre Kinder“ in der Filmpalette – Foyer 01/19

Lauter skurrile Leute
„Kolyma – Straße der Knochen“ in der Filmpalette – Foyer 06/18

Neue Hoffnung schöpfen
Premiere des Kinderfilmprojekts „Grenzenlos“ – Kino 03/18

Deutsche Genrefilme
„Offene Wunde deutscher Film“ in der Filmpalette – Foyer 02/18

Entdemokratisierung der Milchwirtschaft
„Das System Milch“ in der Filmpalette – Foyer 01/18

Große Stars und kleine Leute
Außergewöhnliche Biografien bei „Stranger than Fiction“ – Festival 01/18

Fruchtbare Zusammenarbeit
„Jetzt. Nicht.“ in der Filmpalette – Foyer 11/17

Ambivalente Fluchtgeschichte
NRW-Premiere von „Als Paul über das Meer kam“ in der Filmpalette – Foyer 08/17

Film.

Hier erscheint die Aufforderung!