Auch wenn die Olympiade in China wackelt: Wegen der bedenklichen Ereignisse in Tibet stehen die Planungen für das Sportfest zur Zeit unter keinem guten Stern, vereinzelt ist bereits von Boykott die Rede. Das Frauenfilmfestival wird seinen Fokus auf China aber sicher beibehalten, schließlich handelt es sich bei den Filmemacherinnen nicht um Staatsdienerinnen – im Gegenteil. So werden in den Sektionen Panorama und Quer Blick einige chinesische Filme zu sehen sein. Darunter „Perpetual Motion“ von Ning Ying und Li Yus „Lost in Beijing“, der bereits auf der diesjährigen Berlinale zu sehen war. Regisseurinnen sind eingeladen, Diskussionen und Vorträge ebenfalls geplant. Sicherlich wird man während des Festivals auch über aktuelle Ereignisse reden und einen Einblick in die erschwerten Arbeitsbedingungen in China erlangen.
Städtebalance
Das Internationale Frauenfilmfestival gibt es in dieser Form erst seit drei Jahren. Und doch steckt schon jetzt viel Erfahrung und ein guter Ruf dahinter. Hervorgegangen ist es unter leichten Schmerzen aller Beteiligten aus den beiden lange Jahre bestehenden, renommierten Frauenfilmfestivals Feminale in Köln und femme totale in Dortmund. Nachdem zunächst ein Köln-Dortmunder Team die Festivalleitung bestritt, wird das Festival inzwischen von der ehemaligen femme totale- Leiterin Silke J. Räbiger alleine geführt. Auch die Verteilung der Wettbewerbe zeigt, dass die Fusion nicht komplett ausbalanciert vonstatten ging und der Schwerpunkt in Dortmund liegt. Der mit 25.000 Euro dotierte Internationale Spielfilmpreis wird in Dortmund vergeben, in Köln wird man nur den mit 10.000 Euro dotierten Internationalen Debüt-Spielfilm feiern. Immerhin ist der mit 1.000 Euro dotierte Publikumspreis von choices für das Internationale Spielfilm-Debüt in Köln verblieben. Trotz dieser kleinen Rangeleien zwischen den Städten – das Publikum muss darunter nicht leiden. Denn das Programm des Internationalen Frauenfilmfestivals, kurz und zungenbrecherisch IFFF – kann sich auch im Jahr 2008 sehen lassen. Durch die Fusion ist nicht nur eine jährliche Austragung, alternierend zwischen den beiden Städten, gewährleistet – die beiden Vorgänger fanden nur alle zwei Jahre statt. Das IFFF ist nun auch das einzige deutsche Frauenfilmfestival und zugleich eines der größten und bedeutendsten Frauenfilmfestivals weltweit. Entsprechend voluminös ist das Programm, Austragungsort ist nach 2006 zum zweiten Mal Köln: Vom 23. bis zum 27. April werden knapp 100 Filme aus 30 Ländern, darunter internationale Neuentdeckungen, Spielfilm-Debüts und aktuelle Lesben- und Transgenderfilme, einen Überblick über das Filmschaffen von Frauen weltweit geben. Das Festival, das im Filmclub 813, dem Filmforum im Museum Ludwig, der Filmpalette, dem Metropolis und dem Odeon gastieren wird, gliedert sich vor allem wieder in die Bereiche Panorama und Quer Blick.
Pop-Politik Spektakel
Außerhalb dieser Sektionen ist bereits am 19. April im Filmforum im Museum Ludwig „Strange Culture“ von Lynn Hershman-Leeson zu sehen. In dem Dokumentarfilm mit fiktionalen Szenen spielt die wunderbare Oscargewinnerin Tilda Swinton die Freundin des angeklagten Künstlers Steve Kurtz. Seine biogenetischen Kunstwerke wertet das FBI derzeit als Bioterrorismus – ihm drohen 20 Jahre Haft. Der Film läuft in Kooperation mit dem Kölner Festival „Stranger than Fiction“ (s. S.64), wo er kurz darauf ebenfalls zu sehen sein wird. Vom halben Dokumentarfilm zum gefaketen Dokumentarfilm: UPA!, der in der Sektion Panorama läuft, ist eine Art überdrehte Mockumentary, die die hektischen und emotionalen Dreharbeiten eines Films in Argentinien begleitet. Wenn man die ersten zehn Minuten Hardcore-Wackelkamera überstanden hat, gewöhnt man sich an die Turbulenzen und kann ein Filmteam am Rande des Nervenzusammenbruchs genießen. Der Film leitet die Kurzfilmnacht am 26. April ein. Zwei ‚echte’ Dokumentarfilme, ebenfalls im Panorama zu sehen, beschäftigen sich mit den Weggeschlossenen: Alexandra Westmeier beobachtet die Umerziehungsrituale in einem russischen Jugendknast, und Adina Pintilies „Don’t get me wrong“ blickt in eine Psychiatrie in Rumänien. In die Psychiatrie führt auch der Spielfilm „Très bien, merci“ von Emmanuelle Cuau. Gilbert Melki spielt einen Mann, der in einen kafkaesken Justizschlamassel gerät, der mit einer kleinen Zigarette anfängt, aber viel nach sich zieht. Seine Frau wird gespielt von Sandrine Kiberlain („Haben (oder nicht)“), die man schon lange nicht mehr im deutschen Kino gesehen hat. Ein überraschendes Wiedersehen mit Kiberlains Kollegin und Namensvetterin Sandrine Bonnaire, eine der Großen des französischen Kinos, gibt es mit „Elle s’appelle Sabine“. Dabei handelt es sich allerdings um einen Dokumentarfilm. In ihrer ersten Regiearbeit begleitet die Schauspielerin ihre autistische Schwester Sabine.
Der Quer Blick hat mit „Itty Bitty Titty Committee“ von Jamie Babbits („But I’m a Cheerleader“) ein turbulentes Pop-Politik-Spektakel zu bieten: „Eine Hommage an die Riot Grrrl-Bewegung, eine herzerfrischende Geschichte von einer unpolitischen, kleinbusigen Frau, die auszieht Radikalfeminismus zu lernen und dabei auch noch Liebe findet“, verspricht das Festival. Und auch „Tick Tock Lullaby“ von Lisa Gornick, „eine Komödie über die Unmöglichkeit, als Lesbe zufällig schwanger zu werden“, klingt verheißungsvoll und alles andere als langweilig. Neben 22 Langfilmen werden im Quer Blick- Programm außerdem zwei Kurzfilmblöcke gezeigt. Bei so viel Programm kann einem die Olympiade beinahe egal sein.
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