Montag, 9. Mai: Trotz eines frühsommerlich heißen Tages lockte die NRW-Premiere der iranisch-deutsch-schweizerischen Koproduktion „Sonita“ von Rokhsareh Ghaem Maghami ein großes Publikum ins Weisshaus im Kölner Uni-Viertel. Der Bezug zur Domstadt wurde nicht nur durch den in Köln ansässigen Verleih RealFiction hergestellt, denn die Kölner Produktionsfirma TagTraum hatte, mit Unterstützung der Film- und Medienstiftung NRW, auch maßgeblich zur Realisierung des iranischen Films beigetragen. Der beschäftigt sich nämlich mit einem heiklen Thema, das oft totgeschwiegen wird, und in Maghamis Dokumentation aus einem sehr persönlichen Blickwinkel eingefangen wird. Für Verleiher Joachim Kühn war es „ein elektrisierendes Erlebnis, als ich den Film Ende letzten Jahres zum ersten Mal gesehen habe“. Maghami schildert in „Sonita“ das Schicksal ihrer Titelfigur, einer afghanischen Teenagerin, die vor elf Jahren mit einigen Familienmitgliedern vor den Taliban in den Iran floh. Dort ist sie zwar zu Beginn der Dreharbeiten in einer gemeinnützigen schulischen Einrichtung untergekommen, die ihre Talente fördert. So auch ihren Traum, als Rapperin international bekannt zu werden.
Aber ihre Familie sitzt Sonita im Nacken, da in Afghanistan nach wie vor die Tradition herrscht, dass der Bräutigam für seine zukünftige Frau einen Brautpreis zahlt. Damit Sonitas älterer Bruder das Geld für seine geplante Hochzeit bekommt, soll zunächst Sonita an einen Bräutigam verkauft werden. Es sind u.a. diese überholten Vorstellungen, gegen die sich das Mädchen in ihren Liedtexten auflehnt. Rokhsareh Ghaem Maghami erzählte in Köln, dass sie über eine Cousine, die in Teheran in der gemeinnützigen Einrichtung arbeitet, von Sonita erfahren habe. „Sie war zu Beginn sehr zurückhaltend und schüchtern, deswegen habe ich mich immer wieder mit ihr getroffen, um etwas über ihre Ambitionen zu erfahren und ihr Vertrauen zu gewinnen“, so die Filmemacherin. Zunächst hatte Maghami noch geplant, sich in ihrem Film auf die illegalen Kinderflüchtlinge im Iran zu konzentrieren. Als das Thema der Brautpreise aufkam, fand sie dieses jedoch ungleich interessanter. An einem Punkt während der Dreharbeiten, der im Film auch thematisiert wird, musste sich die Regisseurin entscheiden, ob sie weiterhin einfach nur Beobachterin bleibt, oder aktiv ins Leben ihrer Protagonistin eingreift, um dieses zu einem Besseren zu beeinflussen. Keine leichte Entscheidung für eine Dokumentaristin. Die deutsche Koproduzentin Kerstin Krieg ergänzte bei der Premiere, dass die deutschen Geldgeber in das Projekt involviert wurden, als Maghami bereits einige Szenen gedreht hatte. „Als wir hinzukamen, mussten wir uns gemeinsam mit der Regisseurin entscheiden, ob wir mit Sonita nach Afghanistan reisen und dabei riskieren, dass der Film an dieser Stelle vorzeitig endet“, so Krieg.
Bekommt das Mädchen in seinem Heimatland einen Pass und ein Visum für die USA, oder wird ihr das verweigert, was ihr auch eine legale Rückkehr in den Iran unmöglich macht und die Gefahr einer Zwangsverheiratung erhöht? Rokhsareh Ghaem Maghami erläuterte die Probleme: „Sonita hatte noch nie in ihrem Leben offizielle Papiere, da ihr als achtem Kind und noch dazu als Mädchen bei der Geburt keine große Aufmerksamkeit zuteil wurde.“ Beim Publikumsgespräch kam die Frage auf, ob es einfach war, auch Sonitas Mutter vor die Kamera zu bekommen. Maghami gestand, dass sie die Frau nie um Erlaubnis gebeten, sondern einfach mit der Kamera draufgehalten habe. Ärger gab es im Nachhinein trotzdem, allerdings an anderer Stelle, denn Sonitas engagierte iranische Lehrerin verlor nach der Uraufführung des Films ihren Job. „Dabei hatte ich versucht, keinen Film über die iranische Regierung zu machen, denn die Diskriminierungen, die dort gegen die afghanische Minderheit stattfinden, hätten noch mal ein ganz neues Themenfeld eröffnet“, sagte die Filmemacherin. Sonita kann ihren Traum mittlerweile mit Hilfe eines Stipendiums in den USA leben und wendet sich nach wie vor in den Videos ihrer Rap-Songs an ihre muslimischen Mitbürger, um bei diesen nach und nach für ein Umdenken zu sorgen.
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