Die Rutschen-Balkone im Zuschauerraum der Kölner Oper hängen lasziv, vielleicht sogar entspannt. Der Druck ist nämlich raus vor der angestrebten Wiedereröffnung des sanierten Hauses Anfang November dieses Jahres: Die fest geplante Eröffnung ist geplatzt. Diese vielzitierte „Bombe“ erschütterte am 22. Juli in einer eilig – da die investigative Presse bereits Witterung aufgenommen hatte – einberufenen Konferenz sogar die Verantwortlichen: Eine körper- und namenlose Arbeitsgemeinschaft aus Stadtverwaltung und Baufirmen.
Schuldfragen sollen hier nicht interessieren. Unangenehm wirkt der sehr späte Zeitpunkt der Absage. Die Kulturdezernentin Susanne Laugwitz-Aulbach formulierte salopp, sie habe die Reißleine gezogen. Wie sich herumspricht, hatte sie zuvor mehrfach „den Termin vor die Kosten gestellt“. Das klingt nach einer historischen Schlacht um Ruhm und Ehre bei Dienstantritt. Und es wäre tatsächlich ein Paukenschlag gewesen – und gegen alle Erwartungen.
Unangemessen wirkt das Ausmaß der Verschiebung: Ein Jahr schlagen die Bauherren auf. Patrick Wasserbauer, geschäftsführender Direktor der Oper, nennt als Grund „Sorgfalt vor Schnelligkeit“. Da dürfen die Bürger drei Kreuze schlagen, dass die Schnelligkeit gebremst wurde. Proportional wird sich die anfänglich auf 250 Millionen begrenzte Bausumme verändern, sie driftet auf eine Korrektur der ersten Stelle dieser neunstelligen Zahl zu: noch ungeprüfte Nachträge!
Doch was passiert mit dem Spielplan? Die Interimszeit im „Musical Dome“ ist abgelaufen, der Saal neu vermietet. Das Schauspiel – es hängt am Opernhaus – bleibt im Depot in Mülheim: Schwein gehabt! Die Kinderoper wahrscheinlich im Alten Pfandhaus: Glückspilze! Aber die Oper mit Orchestergraben, Ausstattungsschlachten, Extrachören in Massenszenen, dazu die obligatorischen höchsten Ansprüche an eine exzellente Akustik, ohne die Oper pur nicht funktionieren kann, Aida und La Bohème sind angekündigt: Aber wo? Intendantin Birgit Meyer hat die erste Inszenierung den Wellen des Rheins gewidmet, hier wird ein Boot bespielt, eine originelle Idee, passend zum „Lied der Frauen vom Fluss“. Sie hat auch schon einen Kammermusikabend in ihrem Büro spielen lassen, ein netter Spaß.
Der hört aber auf, wenn der neue GMD Maestro Roth anreist, wohlgestimmt und voller Lust auf seinen neuen Job (siehe dazu das Interview in der August-Ausgabe von choices), um die erste Kölner Inszenierung von Hector Berlioz‘ Oper „Benvenuto Cellini“ musikalisch zu betreuen. Da hat der uneitle Pragmatiker aus Frankreich gleich einiges gelernt über Kölner Zusagen und Planungssicherheit und wird die Ärmel aufrollen und anpacken: Improvisationskunst ist eine Herausforderung. Verhandlungen mit einer großen Halle laufen bereits, sagt Wasserfuhr. Wir drücken die Daumen.
Spielplan: www.oper.koeln
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