Immer heller erstrahlt die Welt klassischer Musikerinnen, Virtuosinnen und besonders Komponistinnen. Lange sorgte die stiefschwesterliche Behandlung durch die Musikhistoriker für ungerechte Düsternis in der Erinnerung der kulturinteressierten Menschheit. Jetzt stehen die immer stärker präsenten Frauen an den Pulten international renommierter Klangkörper für die Vergessenen ein. Und jeder kreative Musikforscher stolpert unweigerlich irgendwann über berauschende Talente unter den Komponistinnen: So geschehen beim Alt-Pultmeister Philippe Herreweghe, der jetzt in Dortmund ein Werk von Emilie Mayer erklingen lässt.
Mayer bediente als Komponistin sämtliche gängige Genres vom Klavierlied bis zur sinfonischen Großform. Ihre 5. Sinfonie, ein wirklich hörenswerter Beitrag zur Sinfoniegeschichte nach Beethoven, wird nun von Herreweghe und dem Basler Kammerorchester aufgeführt. Mayer (1812-83) gilt als erste hauptberufliche Komponistin, die sich in Stettin zu diesem Beruf ausbilden ließ und als „der weibliche Beethoven“ über Mecklenburgs Grenzen hinweg erfolgreich aufgeführt wurde. Geheiratet hat die später in Berlin wirkende Künstlerin nie, sie führte ein gesellschaftlich offenes Haus und bewegte sich gekonnt in aristokratischen Kreisen, ohne sich wirklich anzupassen. So schildert die Stettiner Schriftstellerin Marie Silling sie als „eine lässige Persönlichkeit, die Konventionen nicht unbedingt beachtete. E.M. erschien bei festlichen Feiern auch mal ohne Hut – unmöglich für eine Dame – und amüsierte sich über das Entsetzen der Anwesenden.“ Es gab im 19. Jahrhundert in Berlin Theaterränge speziell für Zuschauer mit ausladenden Hüten, die nicht abgesetzt werden mussten – so viel zur Bedeutung historischer Hutmode.
Neben Mayers Sinfonie wird die 1. Sinfonie von Felix Mendelssohn – dem Mozart der frühen Romantik – zu hören sein. Am Konzertflügel zeigt sich Bertrand Chamayou verantwortlich, er interpretiert das 2. Klavierkonzert von Mendelssohn. Der Fachmann speziell für französische Literatur verfügt über eine eindrucksvolle Anschlagskultur und über grandiose Virtuosität – eine Idealbesetzung für das feinsinnige „Klavierfeuerwerk“, so der Komponist über sein Finale.
Philippe Herreweghe & Kammerorchester Basel | 27.10. 16 Uhr | Konzerthaus Dortmund | 0231 22 69 62 00
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