Das Leben ist eigentlich banal und wiederholt sich ständig. Im Theater dagegen erscheint das Dasein plötzlich ungeheuer dramatisch - es sei denn, das Nature Theatre of Oklahoma steht auf der Bühne. Für ihr zehnteiliges Stück “Life and Times“ haben die beiden Leiter Pavol Liska und Kelly Copper die heute 34jährige Kristin Worrall zu ihrem Leben befragt, von der Geburt bis heute. 16 Stunden Material kamen dabei heraus, das mit allen Ähs, Pausen, Lachern, Sprachstolperern und grammatischen Blindflügen in eine Stück-Serie übersetzt wurde.
In „Episode 2“, das im Rahmen der Ruhrtriennale auf PACT Zollverein zu sehen war, stellen ein männlicher und vier weibliche Performer in unifarbenen Trainingsanzügen Kristins Jugend vor: Ihre Zeit in der Schule, ihre Freundschaft mit Cindy, die Begeisterung für Soaps, erster Kuss, nervende Eltern, Kinobesuche, Schwermut - alles, was den Alltag eines heranwachsenden Mädchens der weißen Mittelklasse in den USA eben so ausmacht.
Das Nature Theatre dramatisiert dieses Dasein nicht, sondern lässt es in seiner erzählten Banalität aufscheinen, wobei der Reiz vor allem in Kristins Auslassungen oder den verdrucksten Schilderung erotischer Kindererlebnisse liegen und natürlich in der Erinnerung des Zuschauers an seine eigenen Pubertätserfahrungen. Selten hat man gerade aus Fehlleistungen so viel über einen Charakter erfahren. „Episode 2“ ist ein Psychogramm, das allerdings ohne jede Psychologie auskommt, denn die Performer kommentieren oder deuten den Text nicht, sondern sie stellen ihn aus – und zwar als Musical. Kristins Lebensbeichte wird gesungen, mit Soli, Chören, Duetten oder Terzetten und ist zudem mit einer Choreographie unterlegt, die an Popvideos der 80er Jahre erinnert. Das ist zum Teil ungeheuer komisch, umso mehr als die Performer, zu denen später noch ein Chor stößt, auf einem Laufsteg unter einer Diskokugel agieren. Das Dokumentarische wird mit einer formal strengen Form konfrontiert und zugleich ins Serielle überführt: Praktiken, die an Andy Warhol denken lassen und zugleich an die popmedialen Überformungen unseres Leben gemahnen. Es bleibt aber auch ein Rest: Die Performer tanzen die Choreographie nie perfekt aus, sie „scheitern“ und darin liegt auch eine Solidarisierung mit Kristin: In der Banalität und im Scheitern liegt auch ein Widerstand gegen das verordnete gelungene Leben – oder auch die Perfektion der Kunst. Sehenswert.
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