choices: Herr Kurth, was muss man sich unter dem „System Köln” vorstellen, das Ihre Partei ändern will?
Peter Kurth: In Köln übt die Stadtverwaltung in sehr vielen Bereichen den maßgeblichen Einfluss aus, was oft weder für die Betroffenen noch für die Stadt insgesamt gut ist. Dazu gehört eine starke Parteipolitisierung der Verwaltung selbst, wobei ich da alle Parteien anspreche. Deshalb hat es in der Verwaltung noch nie eine Aufgabenkritik gegeben.
Ist das nicht bei allen Verwaltungen der Fall?
Nein, ich kenne keine deutsche Großstadt, wo etwa Kultureinrichtungen so eng in die Verwaltung eingebunden sind wie in Köln. Das ist einmalig. In vielen anderen Kommunen gibt es das Bemühen um eine effektivere, auch preiswertere Verwaltung. Ich möchte die politische Diskussion darüber in Köln eröffnen. Wir möchten da, wo es die gesetzlichen Grundlagen erlauben, Wettbewerb einführen.
Die Außendarstellung der Stadt soll durch ein „privatwirtschaftlich organisiertes Kulturmanagementbüro“ verbessert werden?
Der Kulturstandort Köln braucht ein besseres, nach außen gerichtetes Marketing, damit die Menschen in Hamburg, München oder Berlin merken, dass Köln nicht nur aus Dom, Karneval und Kölsch besteht, sondern beispielsweise ein erstklassiger Musikstandort ist. Die Verwaltung ist dieser Aufgabe nicht gerecht geworden, deshalb wollen wir es anders versuchen, privatrechtlich organisiert, unterstützt vom Sachverstand aus der Kultur.
In Berlin spielt beim Kulturmarketing der Tourismus eine wesentliche Rolle. Wäre das keine Aufgabe für KölnTourismus?
Das kann man überlegen. Aber Kultur müsste ein eindeutiger Schwerpunkt sein, es geht nicht nur um Tourismus. Der Kulturstandort Köln muss selbstbewusster auftreten.
Der Kölner Kulturetat ist in der letzten Zeit erhöht worden. Trotzdem hat sich das Image der Kölner Kulturpolitik nicht verbessert.
Geld allein macht nicht glücklich. Wir brauchen eben auch die richtigen Rahmenbedingungen und Strukturen. Aber was da jetzt z.B. im Schauspielhaus unter der Intendanz von Karin Beier passiert, wird Kölns Ruf als Kulturmetropole stärken.
Sie waren schon Finanzsenator. Bitte vollenden Sie den Satz „Gerade in finanziell schwierigen Zeiten, die auf uns zukommen, ist es Aufgabe der Politik,...
...mit aller gebotenen kaufmännischen Vor- und Weitsicht den städtischen Haushalt und die Ausgaben so zu planen, dass uns das nötige Geld für wichtige Aufgaben und Projekte auch künftig in Köln zur Verfügung steht.
Die Große Koalition in Berlin hat eine „Schuldenbremse“ ins Grundgesetz geschrieben. Was heißt das für hoch verschuldete Kommunen wie Köln?
Adressaten der Verfassungsänderungen sind zunächst Länder und Bund. Aber es hat natürlich Auswirkungen auf die Kommunen. Wir werden uns hier verständigen müssen, ob wir noch Schulden machen können. Das finde ich übrigens grundsätzlich gut.
Für die Pflichtaufgaben der Kommunen stellen Bund und Länder entsprechende Mittel zur Verfügung. Reichen die bisher immer aus?
Heute ist es z.T. der Fall, dass den Kommunen per Gesetz Aufgaben ohne ausreichende finanzielle Ausstattung zugewiesen werden, wie z.B. im Fall der KITAs. Ich meine, dass der, der die Musik bestellt, sie auch bezahlen muss.
Die freiwilligen Aufgaben gelten als Kern der kommunalen Selbstverwaltung. Was zählen Sie hier neben der Kultur dazu?
Vieles im Bereich Soziales, Jugendpolitik, Projekte, die bestimmten großstädtischen Belangen Rechnung tragen etwa im Integrationsbereich. Großstädte stehen hier vor grundsätzlich anderen Aufgaben als kleinere Städte, auch was die Kultur betrifft.
Sie wollen den Kulturetat mindestens festschreiben...
Wir werden in den nächsten Jahren erhebliche Finanzprobleme haben. Ich möchte am Beginn der neuen Ratsperiode deutlich machen, der Kulturetat steht für Absenkungen nicht zur Verfügung. Alles andere hängt von einem vernünftigen Kassensturz ab.
Und die Kosten für zahlreiche neue Kulturprojekte wie die geplante Akademie der Künste der Welt?
Die Akademie wird zunächst 500.000 Euro brauchen, das halte ich für machbar.
In Tokio kostet eine Opernkarte 120 Euro, in Köln die teuerste 66 Euro. Ist die Erhöhung hiesiger Eintrittspreise ein Tabu?
Es sind nicht so sehr die Künstlergagen, die eine Eintrittskarte für Schauspiel oder Oper teuer machen. Es sind vielmehr die hohen Unterhalts- und Betriebskosten, die am Ende des Jahres dafür verantwortlich sind, dass Deutschlands Schauspiel- und Opernhäuser defizitär arbeiten und subventioniert werden müssen. Und da müssen wir in Köln ansetzen, dass wir diese durchaus beinflussbaren Kosten senken. Dann sind 66 Euro ein angemessener Preis.
Wie viele Museen verträgt Köln eigentlich noch?
Ich glaube, dass das Bedürfnis, sich mit den unterschiedlichsten Aspekten von Vergangenheit zu befassen, noch wachsen wird. Dass die Großstädte hier ihre Aktivitäten zurückfahren sollten, sehe ich nicht.
Vorausgesetzt, Sie werden gewählt, welche drei Themen stehen bei Ihnen in den ersten 100 Tagen ganz oben auf der Agenda?
Ein neues Konzept der Wirtschaftsförderung, auch hier wird Köln unter Wert verkauft. Gespräche über die Neuordnung der Kultur. Schwerpunkte wie Ausbildungssektor und Arbeitsmarkt des dann fertigen Integrationskonzepts der Verwaltung.
Hat Ihnen dieser Beitrag gefallen? Als unabhängiges und kostenloses Medium sind wir auf die Unterstützung unserer Leserinnen und Leser angewiesen. Wenn Sie uns und unsere Arbeit finanziell mit einem freiwilligen Betrag unterstützen möchten, dann erfahren Sie über den nebenstehenden Button mehr.
„Viele Spiele haben noch einen sehr infantilen Touch“
Teil 1: Interview – Medienpädagoge Martin Geisler über Wandel in der Videospiel-Kultur
„Genießen der Ungewissheit“
Teil 2: Interview – Sportpädagoge Christian Gaum über das emotionale Erleben von Sportevents
„Ich muss keine Konsequenzen fürchten“
Teil 3: Interview – Spieleautor und Kulturpädagoge Marco Teubner über den Wert des Spielens
„Die Bürger vor globalen Bedrohungen schützen“
Teil 1: Interview – Politikwissenschaftler Oliver Treib über Aufgaben und Zukunft der Europäischen Union
„Mosaik der Perspektiven“
Teil 2: Interview – Miriam Bruns, Leiterin des Goethe-Instituts Budapest, über europäische Kultur
„Der Verkauf des Kaffees nach Europa ist gestoppt“
Teil 3: Interview – Sebastian Brandis, Sprecher der Stiftung Menschen für Menschen, über das EU-Lieferkettengesetz
„Tiefseebergbau ohne Regularien wäre ganz schlimm“
Teil 1: Interview – Meeresforscher Pedro Martinez Arbizu über ökologische Risiken des Tiefseebergbaus
„Wir müssen mit Fakten arbeiten“
Teil 2: Interview – Meeresbiologin Julia Schnetzer über Klimawandel und Wissensvermittlung
„Entweder flüchten oder sich anpassen“
Teil 3: Interview – Klimaphysiker Thomas Frölicher über ozeanisches Leben im Klimawandel
„Es liegt nicht am Gesetz, Kriminalität zu verhindern“
Teil 1: Interview – Kriminologe Dirk Baier über Gewaltkriminalität und Statistik
„Prüfen, ob das dem Menschen guttut“
Teil 2: Interview – Publizist Tanjev Schultz über ethische Aspekte der Berichterstattung über Kriminalfälle
„Eltern haben das Gefühl, sie müssten Buddhas werden“
Teil 3: Interview – Familienberaterin Nina Trepp über das Vermeiden von psychischer Gewalt in der Erziehung
„Ernährungsweisen verändern, ohne Zwang“
Teil 1: Interview – Tierethikerin Friederike Schmitz über vegane Ernährung
„Naturschutz wirkt“
Teil 2: Interview – Biologin Katrin Böhning-Gaese über Biodiversität, Wildtiere und Naturschutz
„Sie verstehen uns“
Teil 3: Interview – Tierhistorikerin Mieke Roscher über die Beziehung zwischen Menschen und Tieren
„Was nicht erlaubt ist: Druck ausüben“
Teil 1: Interview – Autor Sebastian Schoepp über Freundschaften
„Bin ich eifersüchtig oder eher neidisch?“
Teil 2: Interview – Paarberaterin Sonja Jüngling über sexuelle Kontakte außerhalb einer Paarbeziehung
„Mit dem ersten Kind nimmt die Ungleichheit zu“
Teil 3: Interview – Soziologe Kai-Olaf Maiwald über Ehe, Familie und Geschlechterverhältnisse
„Mehr Umsatz, mehr Gesundheit“
Teil 1: Interview – Unternehmer Martin Gaedt über die Vier-Tage-Woche
„Das kann man mit keiner Gerechtigkeitstheorie erklären“
Teil 2: Interview – Historiker Marc Buggeln über Steuerpolitik und finanzielle Ungleichheit in Deutschland
„Die Gesellschaft nimmt diese Ungleichheiten hin“
Teil 3: Interview – Soziologe Klaus Dörre über Armutsrisiken und Reichtumsverteilung
„Psychische Erkrankungen haben nichts mit Zusammenreißen zu tun“
Teil 1: Interview – Psychologe Jens Plag über Angststörungen
„Nicht nur ärztliche, sondern auch politische Entscheidung“
Teil 2: Interview – Psychiater Mazda Adli über Ängste infolge des Klimawandels
„Das Gefühl, dass wir den Krisen hinterherjagen“
Teil 3: Interview – Miriam Witz von Mein Grundeinkommen e.V. über Existenzängste und Umverteilung
„Sport wird instrumentalisiert, um positive Emotionen zu empfinden“
Teil 1: Interview – Sportpsychologin Jana Strahler über Sportsucht