choices: Frau Joachim, Herr Matz, Ihre Initiative nennt sich „ArchivKomplex“. Was bedeutet das?
Dorothee Joachim: Nach dem Einsturz des Stadtarchivs hat eine Initiative mit Druck eine Bürgerbeteiligung durchgesetzt, an der ich als dreifache Nachlassgeberin beteiligt war. Dabei ist uns klar geworden, dass der Einsturzort selbst das Denkmal ist. So entstand das Konzept „Denkmal als Prozess“ – am Ort des Einsturzes sollten temporäre künstlerische Interventionen auf das Unglück hinweisen. Und weil die Betroffenheit sehr vielfältig ist, wählten wir den Namen „ArchivKomplex“. Im Vorfeld des dritten Jahrestages hat Reinhard Matz seine „24 Sätze zu 8 Minuten“ am Bauzaun installiert. Von Seiten der Stadt Köln gab es ja keinen Hinweis.
Ein Architektenwettbewerb für die Bebauung des Archivgeländes ist mittlerweile abgeschlossen. Wie denken Sie darüber?
Joachim: Ein Ergebnis der Bürgerbeteiligung war, dass das Unglück im Stadtraum erfahrbar sein sollte. Die „Lehre aus der Leere“ – dort fehlt jetzt eigentlich was – sollte sich in den Grundriss der Stadt für die Zukunft einschreiben.
Reinhard Matz: Punkt 1 der Aufgabenstellung war, eine Form des Gedenkens zu finden. Bei den Sitzungen der Jury scheint das aber unter den Tisch gefallen zu sein. In den jetzigen Lösungen wird das Thema nur höchst marginal behandelt.
Erinnerung und Gedächtnis sind ja Zufallsprozesse. Wie kann man denn Erinnern planen?
Matz: Planen ist schwierig, aber es muss eine Form gefunden werden, die mehr als eine Plakette oder eine Metallskulptur ist. Ein Architekt in unserer Gruppe sagt immer: „Da muss ein Vibrieren spürbar bleiben” und irgendeine Irritation im Stadtraum stattfinden, so dass man nicht so einfach vorbeigeht.
Joachim: Der Archiveinsturz stellt die Frage nach dem Versagen der demokratischen Strukturen in dieser Stadt: „Wie kann man verhindern, dass dies noch mal passiert?“ Diese Öffentlichkeit ist ein zentraler Punkt unserer Forderungen.
Wie könnte der weitere Prozess aussehen?
Joachim: Bei der Präsentation der Wettbewerbsergebnisse wurde angekündigt, dass es eine weitere Informationsveranstaltung geben soll. Diese hat bis heute nicht stattgefunden. Vielleicht ist es politisch nicht gewollt und die Bürgerbeteiligung diente nur als Feigenblatt. Dabei läge gerade im Umgang mit diesem Unglück eine Chance für die Stadt Köln, endlich einmal von ihrem absoluten Katastrophenimage wegzukommen.
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