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Budgetüberschreitungen sind die Regel
Foto: Irma Flesch

Augen zu und durch

24. Januar 2013

„Geplante“ Kostensteigerungen sollen nicht bekannt werden – Thema 02/13 Schildbürger

In Sachen Planungsdesaster befindet sich Köln in guter Gesellschaft. Regelmäßig werden bei großen Bauprojekten in NRW die angepeilten Kosten überschritten. Am spektakulärsten dürfte der Bau des Landesarchivs in Duisburg durch Bau- und Liegenschaftsbetrieb NRW (BLB) sein. Verpasste Fristen beim Kauf des Grundstücks im Duisburger Innenhafen, ein geplatzter Mietdeal mit der Essener Immobilienfirma Kölbl & Kruse inklusive Schadenersatz sowie geschönte Gutachten ließen die Kosten von ursprünglich 42 Millionen Euro auf über 190 Millionen steigen. Und dann ist da noch der Korruptionsvorwurf gegen den gefeuerten BLB-Chef Ferdinand Tiggemann. Aber auch ohne Korruption ist eine Kostenexplosion der Regelfall – egal ob es sich um eine Brücke über die A31 handelt oder um ein Leuchtturmprojekt wie den Dortmunder U-Turm, der anstatt der angepeilten 55 letztlich 84 Millionen Euro kostete.

Kostensteigerungen als Resultat bewusster Täuschung

So „unvorhergesehen“, wie Verantwortliche in der Regel behaupten, sind diese Kostensteigerungen nicht. Das meint zumindest der Ökonom Bent Flyvbjerg, der in Oxford über Großbauprojekte forscht. Budgetüberschreitungen sind die Regel, bei Straßen betragen sie 20 Prozent, bei Brücken 33 Prozent und bei Bahnprojekten 44 Prozent. Diese Zahlen ließen sich nicht mit Fehlern in der Berechnung der Kosten erklären oder dadurch, dass die Verantwortlichen in der Euphorie über ihr Projekt mögliche Probleme verdrängen würden, so Flyvbjerg. Stattdessen seien sie meist ein Produkt bewusster Täuschungen. Teilweise seien Angestellte in öffentlichen Institutionen von ihren Vorgesetzten dazu angehalten worden, Berechnungen über die Kosten nach unten und Prognosen über eine mögliche Auslastung nach oben zu kalkulieren. Und bei öffentlichen Ausschreibungen werde ein Kostenrahmen bewusst zu niedrig angesetzt, um den Zuschlag zu erhalten. Flyvbjerg fordert deshalb nicht nur mehr Transparenz bei öffentlichen Großbauprojekten und eine Kontrolle durch Dritte (z.B. Wissenschaftler), sondern auch eine Haftung des Privatsektors, der – siehe Landesarchiv – die öffentliche Hand gerne als eine Art kostenfreie Rückversicherung für potentielle Verluste nutzt.

Denn gerade bei Infrastrukturprojekten wie Eisenbahn- oder Straßenbau zeigt sich, dass private Firmen nicht immer die günstigere Wahl sind. Die Erweiterung der A1 zwischen Hamburg und Bremen wird von einem Konsortium um das Bauunternehmen Bilfinger durchgeführt, das im Gegenzug einen Anteil der LKW-Maut für diesen Abschnitt erhält. Die Baustelle ist 72 km lang, dadurch kann schneller und effizienter gebaut werden; weil Autofahrer aber mehr Zeit auf den schmalen Fahrbahnen verbringen müssen, erhöht sich im Gegenzug das Unfallrisiko. Die „Zeit“ bezeichnete diesen Streckenabschnitt als „Deutschlands gefährlichste Straße“. In NRW hat die rot-grüne Landesregierung 2011 den Ausbau der A1 zwischen Münster und Lotte/Osnabrück, der über eine ähnliche öffentlich-private Partnerschaft finanziert werden sollte, vorläufig gestoppt.


CHRISTIAN WERTHSCHULTE

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