Es hagelte Solidaritätsadressen, als im Dezember die drohende Insolvenz des Ringlokschuppens bekannt wurde. Es war sicherlich nicht die Aufgabe der Unterstützer, ob Künstler oder Besucher, einen kritischen Blick auf das Verhalten der Leitung zu werfen. Doch die Beschwörungen des Weiter-So wirkten schon kurios angesichts des finanziellen Desasters. Der Ringlockschuppen wies ein Defizit von 435.000 Euro auf, das durch Zusagen von Stadt, Land und Kunststiftung inzwischen gedeckt ist. Das Haus verfügt über eine institutionelle Förderung von 550.000 Euro durch die Stadt Mülheim und 160.000 Euro durch das Land NRW sowie Projektmittel (inkl. Kunststiftung NRW) von bis zu 1 Mio. Euro. Im günstigsten Fall wurde der Etat um 25 Prozent überzogen, im dramatischsten um 60. Die Verantwortung dafür haben der kaufmännische Leiter Peter Krause und der künstlerische Leiter Holger Bergmann übernommen – und sind zurückgetreten. Die Gründe für das Defizit lagen, so der neue Chef Matthias Frense, in einer zu spät eingereichten Bilanz für 2013, zwei krassen Abrechnungsfehlern und einem strukturellen Defizit. Zwar möchte der frühere Dramaturg des Ringlokschuppens jetzt lieber nach vorne schauen – doch das Debakel offenbart einige grundlegende Probleme freier Theaterhäuser.
Erstes Problem: Die Personalstruktur. Mit 18 Festangestellten war der Ringlokschuppen viel zu üppig besetzt. Kündigungen in der Theaterpädagogik, im IT-Bereich, Werbung, Hausmeister sowie Geschäftsführung waren die Folge. „Faktisch sind wir jetzt noch zehn Personen“, so Matthias Frense. Zum Vergleich: Das Forum Freies Theater (FFT) in Düsseldorf äußert sich nicht zur eigenen Personalstruktur, verweist aber auf seine Homepage, die auf zehn bis zwölf Angestellte schließen lässt. Das Pumpenhaus in Münster wiederum gibt 2,5 Angestellte sowie eine Schar Auszubildender, Freiwilligendienstler und studentischer Aushilfen an. Die unterschiedlichen Angaben zeigen, dass auch die angeblich schlanken Personalstrukturen anderer Häuser mit zwar legalen, nichtsdestotrotz zweifelhaften Anstellungsformen erkauft ist – bis zur Absurdität, dass das FFT laut Homepage offenbar ohne technisches Personal auskommt.
Zweites Problem: Die Rechtsform. Es sind Zweifel angebracht, ob die Rechtsform des Vereins, die viele Theaterhäuser bei ihrer Gründung in den 80er/90er Jahren gewählt haben, noch zeitgemäß ist. „Man kann nicht einerseits total abhängig sein von städtischen Zuschüssen und Landesmitteln und andererseits eine private Struktur aufrechterhalten“, sagt Frense. In Mülheim wird derzeit verhandelt, wie eine neue Rechtskonstruktion aussehen könnte. Im Gespräch ist u.a. eine Eingliederung als städtische Tochter in die Beteiligungsholding Mülheim, die der Kommune stärkere Mitsprache und effizienteres Controlling ermöglichen würde.
Das Geschäftsjahr 2015 wird für den Ringlokschuppen jedenfalls zum finanziellen Balanceakt. Trotz eines sehr knappen Etats ist es das Frenses Ziel, mit den institutionellen Mitteln „Personal, Verwaltungskosten und einen Eigenanteil für Projekte bezahlen zu können“. Der Realismus hat Einzug gehalten.
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