Frank Hoffmann hat ein goldenes Händchen. Nach dem einjährigen Debakel von Frank Castorf auf dem Grünen Hügel in Recklinghausen war es der Luxemburger, der die Ruhrfestspiele wieder aufs Erfolgsgleis setzte. Inzwischen brechen die Zus-chauerzahlen jährlich neue Rekorde, die Sponsoren drängeln um die Wette, und das Programm mit Schauspiel, Tanz, Kinder- und Jugendtheater, musikalischen Abenden, Konzerten, Kabarett und Lesungen platzt aus allen Nähten, so dass das Programmbuch jedes Jahr ein wenig dicker wird.
Die inhaltliche Klammer, um die man sich alljährlich bemüht, wirkt da schon fast wie ein Placebo. Symptomatisch, dass man in diesem Jahr nicht mehr einen Dichter ins Zentrum stellt, sondern gleich einen ganzen Kontinent: „Amerika“ lautet das Motto. Frank Hoffmann geht es dabei nicht nur um eine Erweiterung des Konzepts, sondern um Grundsätzliches: „Amerika prägt unsere Ästhetik, weit über das Theater hinaus“. Vor allem das Kino übe einen enormen Einfluss auf junge Schauspieler aus. Die Ruhrfestspiele sollen diesem Einfluss nachgehen und dabei die „Vielschichtigkeit des amerikanischen Theaters“ zeigen.
So genau darf man dem Programm allerdings nicht aufs repräsentative Portepee gucken. Die Eröffnungsproduktion „Speed the Plow“ behandelt zwar den Konflikt zwischen Kunst und Kommerz am Beispiels Hollywoods, doch das Stück stammt von dem Briten David Mamet, und die Produktion mit Kevin Spacey und Jeff Goldblum kommt vom Londoner Old Vic Theatre. Ansonsten begegnet man vor allem Namen wie Eugene O’Neill, Arthur Miller, Tennessee Williams, John Steinbeck oder Sam Shepard. Das Thalia Theater zeigt seine „Hexenjagd“ (Regie: Andreas Kriegenburg) und die Schaubühne „Die Katze auf dem heißen Blechdach“ (Regie: Thomas Ostermeier). Jüngere Autoren wie Neil LaBute sucht man ver-geblich. Zufall oder Absicht? Auch Frank Hoffmann hat sich die Frage nach der jungen Autoren-Generation gestellt. Doch ein Stück wie Shepards „Goldener Westen“, das er selbst bei den Ruhrfestspielen herausbringt, sei eben „viel stärker als alle LaBute-Stücke“.
Eine Konsequenz des Erfolgs der Ruhrfestspiele ist ihr Zwang zur Erweiterung. Nachdem das Fringe-Festival sich inzwischen zum eigenständigen Programmblock entwickelt hat, kommt in diesem Jahr eine Halle auf dem Zechengelände Auguste Victoria in Marl als neuer Spielort dazu. Damit wird die Verortung des Festivals im Ruhrpott seit Jahren erstmals wieder räumlich erfahrbar. Und dort gehen die Ruhr-festspiele dann richtig in die Vollen: Der altersmüde Peter Zadek zeigt Pirandellos „Nackt“; Hollywoodstar Cate Blanchett reist mit ihrer Interpretation von Marc Raven-hills „Blackbird“ aus Sidney an, und der junge Regiestern Jan Bosse in¬szeniert Tolstois „Anna Karenina“ mit Fritzi Haberlandt in der Hauptrolle. Lauter Theaterpreziosen, die zwar nicht viel mit Amerika zu tun haben, aber trotzdem sehr neugierig machen.
Ruhrfestspiele Recklinghausen, 1.5. bis 15.6.,
Info und Karten: 02361 92180, www.ruhrfestspiele.de
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