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Foto: Christian Altorfer

Die Entführung Gottes

01. Dezember 2010

Die Performancetruppe „Mass & Fieber“ kommt nach Mülheim - Theater in NRW 12/10

Die Schweiz ist ohne Vereine nicht vorstellbar. Sie bilden das Rückgrat des urdemokratischen Landes. Nicht umsonst sind auch die helvetischen Parteien als Vereine organisiert. Es ist also nicht nur Ironie, wenn sich die Theater- und Performancegruppe Mass & Fieber aus Zürich als „Verein zur Förderung von anonymen Fiktionen, Kunstspielereien und Vernetzungen aller Art“ bezeichnet. Seit die Truppe um den Regisseur Niklaus Helbling, Autorin Brigitte Helbling, Bühnenbildner Dirk Thiele und den Komponisten Martin Gantenbein 1997 den „Bambi“-Roman von Felix Salten auf die Bühne brachte, ist diese „Vernetzung“ ihr Markenzeichen. Was zunächst bedeutet, dass sie die Genres der Populärkultur von Film, Popmusik, Comic bis Märchen nach den harten gesellschaftlichen Themen befragen. So stellten mit Hilfe des Crazy Cat-Comics von George Herriman die Frage nach Anarchie und Gewalt. Der Befreiungszauberer Houdini wurde zur Metapher für das Thema „Innere Sicherheit“. Und in „Die schwarze Kammer“ geriet ein Mann in die Fänge von drei scheintoten Furien, die ihm das ABC des Bürgerkriegs beibrachten. Aus den Genrekreuzungen werden Collagen mit verblüffenden Querverbindungen und vielfältigen Assoziationen.

Ihre neue Produktion, mit der sie jetzt nach Mülheim kommen, heißt schlicht „Geld und Gott“. Und das ist ganz wörtlich als irdisch-himmlisches Inferno zu verstehen, denn im Zentrum steht der reiche Otto Gott. Ein Mann, der seine Yacht „Purgatorio“ nennt, der ein Kaff namens Gotham beherrscht und sich deshalb im Siebten Himmel der Großfinanz wähnt. Und all das nur, weil er Besitzer der Supermarktkette Gottomarkt und damit ein größenwahnsinniger Tiefkühlpizzamogul ist.

Unterhaltsames Inferno

Auch wenn der Bogen des Stücks von Dante bis Batman gespannt wird, die Story von Brigitte und Niklaus Helbling bewegt sich doch vorwiegend im Feld zwischen Screwballcomedy, Comic und Film Noir. Da treffen butterweiche Songs von Martin Gantenbein auf kalauernde Kapitalismuskritik und trockene Hard boiled-Dialoge auf wilden Videoprojektionen, TV-Trash paart sich mit dem Comic. Die castingmüde Schauspielerin Betty wartet im Hotel auf ihr Date „scharferhengst22“, gerät jedoch an den etwas abgehalfterten Charmeur Max, von Beruf Rechtsanwalt mit halbseidenen Kontakten. Als ein Stuntman aus einem Hotelzimmer in den Tod stürzt, gesellt sich auch noch der weibliche Cop Josefine dazu und verliebt sich prompt in Max. Fehlt schließlich noch der Omelettekoch Juan. Alle vier unternehmen einen Trip in die Höhle des Löwen, sprich: in Gotts Reich. Dem Hölleninferno entkommt das anarchische Quartett schließlich nur durch einen Supercoup. Es entführt kurzerhand Gott persönlich, und bevor die Polizei ihnen auf die Schliche kommt, sind sie auch schon als Bat-, Super- oder Spiderman und -woman in die Bildgeschichten der gezeichneten Welt entkommen.

„Geld und Gott“ von Mass & Fieber I R: Niklaus Helbling I Ringlokschuppen Mülheim I 17./18.12., 20 Uhr I 0208 99 31 60 I www.ringlokschuppen.de

Hans-Christoph Zimmermann

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