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Die Mauer
Foto: Maria Stefanescu

Die Gegenwart der Wende

01. Oktober 2009

Sechs europäische Inszenierungen in Mülheim - Theater in NRW 10/09

Zusammenbruch oder Sündenfall? Es steckt beides in der englischen Formulierung „After the Fall“, mit der das Goethe-Institut ein Projekt zum 20jährigen Wendejubiläum überschreibt. Mal kein Symposium, keine Feiertagsrede zur deutsche Wiedervereinigung, kein Rückblick mit verklärten Augen. „Uns hat die Gegenwart in unseren Nachbarländern interessiert, nicht die historischen Ereignisse vor 20 Jahren. Was geschieht heute in den Gesellschaften, welche Sehnsüchte gibt es, welche Probleme haben die Menschen“, sagt Martin Berg, der den Bereich Theater und Tanz am Goethe-Institut leitet. Und so haben er und seine Kollegin Claudia Amthor-Croft Theater in 15 europäischen Ländern, von Rumänien bis England, von Finnland bis Serbien, angesprochen und gemeinsam mit ihnen 19 Autoren ausgewählt und mit Stücken beauftragt. Sechs dieser Stück kommen nun aus ihren Heimatländern zu einem kleinen Festival nach Mülheim.

Eine der Autorinnen ist Theodora Herghelegiu. Die 42Jährige arbeitet als Autorin und Regisseurin in der rumänischen Hauptstadt Bukarest. Ihr Triptychon „Die Mauer“ spielt in surrealen Alltagszenen die hohle Zufriedenheit der Nachwendegesellschaft durch, lässt dann eine völlig enttäuschte Jugend sich im zweiten Stock eines Theater hinter einer Mauer verbarrikadieren, um am Ende an die reale Grenze Rumäniens zu springen. Was in Rumänien gilt, muss aber schon 500 km weiter nicht mehr stimmen. „Es gibt gemeinsame Motive, aber auch sehr große Unterschiede in der Wahrnehmung, gerade in den mittel- und osteuropäischen Staaten“, sagt Martin Berg. Eine Gemeinsamkeit liegt in der von Andrzej Stasiuk aus Polen beschriebenen ambivalenten Sicht auf die Reisefreiheit. Es lässt sich zwar ungehindert in die Fremde fahren, das Fremde hat jetzt aber auch Zutritt zum eigenen Land. Ganz anders sieht es dagegen in den Ländern des ehemaligen Jugoslawien aus. „Bosnien-Herzegowina kämpft stark mit Problemen, die durch die Migrationsbewegungen während der Kriegszeit entstanden sind“, sagt Martin Berg. So beschreibt der Autor Almir Imširević zwei Paare im Genfer Exil, die aller Globalisierungsrhetorik zum Trotz ihrer Identitätslosigkeit nur mit Drogen und Vergangenheitsbeschwörung Herr werden. Solche Problemlagen kennt der dänische Autor Christian Lollike wiederum nicht. Seine „Geschichte der Zukunft“ ist ein am Beispiel einer Taxifahrerin gelungener Panoramaschwenk über die Konsumgesellschaft zwischen Kunst, Armut, Medien, Multikulti. Der Blick auf 1989 ändert sich nicht nur nach Herkunftsland. „Es war der Wunsch“, so Martin Berg, „Autoren aus verschiedenen Generationen dabei zu haben, um unterschiedliche Perspektiven auf diese 20 Jahre zu bekommen.“ So liegen zwischen dem 36jährigen Christian Lollike und dem 63jährigen Goran Marković aus Serbien, der über Titos dritten Weg schreibt, auch ein zeitgeschichtlicher Sprung. Die Stücke beider Autoren werden zwischen dem 1. bis 6. November in Mülheim zu sehen sein, dazu Werke von Dirk Laucke, Andrzej Stasiuk, Nicoleta Esinencu und Theodora Herghelegiu, die gemeinsam den Blick auf den Alltag unserer europäischen Nachbarn diesseits aller Wendeverlautbarungen neu definieren.

Hans-Christoph Zimmermann

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