Mittwoch, 4. Januar: Im leeren Gebäude des Koninklijk Concertgebouworkest in Amsterdam sitzt Schlagzeuger Hermann Rieken und erklärt, wie wichtig es bei einem Bruckner-Werk ist, für den Beckenschlag den richtigen Moment zu erwischen. Bereits Minuten vorher steht er auf, hebt langsam die jeweils 4 kg schweren Becken, um sie dann punktgenau im Fluss der Melodie erdröhnen zu lassen. Vor einem Auftritt des Concertgebouworchesters in der Philharmonie beginnt so die Doku „Around the World in 50 Concerts“ (dt. Um die Welt in 50 Konzerten) der preisgekrönten niederländischen Regisseurin Heddy Honigmann. Jene wurde 2013 anlässlich des 125-Jahr-Jubiläums des Spitzenorchesters während dessen Welttournee gedreht. Stationen waren Buenos Aires, Soweto und St. Petersburg. Die Doku wirft einen Blick hinter die Kulissen: das Einpacken der Instrumente in Thermosäcke, das Ankommen im Hotelzimmer, das Akklimatisieren in fremden Räumen. Natürlich werden auch Konzertausschnitte gezeigt. Doch die wahren Höhepunkte sind einzelne Protagonisten: in Buenos Aires ein Taxifahrer, der erklärt, wie ihn klassische Musik vor der „Vulgarität der Straße“ bewahrt. In Soweto der Jugendorchesterleiter, der sich keinen Geigenunterricht leisten konnte, bis er einen wohltätigen Musiklehrer fand, und heute selbst arme Kinder im Violinspiel unterrichtet. Ein Witwer in St. Petersburg, der unter dem Hitler- wie Stalin-Regime gelitten hatte und den seine von der Großmutter ererbte Liebe zu Mahler aufrecht erhielt. Das berührt. Und lässt einige Längen und Unschärfen der Doku vergessen.
Vor der Vorführung fand ein Gespräch von Louwrens Langevoort, Intendant der Kölner Philharmonie und Geschäftsführer von KölnMusik, mit Frauke Bernds, damals Managerin des Concertgebouworchesters, statt. Diese schildert, welche großen und kleinen Probleme eine mehrwöchige Welttournee mit 140 Personen aufwirft. Vom Aushandeln der Freigepäcksgrenze über die Organisation von Kinderbetreuung bis zur Lösung zwischenmenschlicher Konflikte. Zu choices sagt sie: „Alle Musiker sind mit Leidenschaft dabei. Meine Aufgabe war es, die Begebenheiten zu schaffen, damit alle ihr Bestes geben können. Da gibt es auch Momente, wo ich alles andere als ruhig und gelassen bin.“ Natürlich erinnert sie sich an die Arbeit an dem Honigmanns Film: „Ich fand es schwierig, den Tourneealltag von Orchestermusikern stringent darzustellen. Muss das Telefonat eines Vaters mit seinem entfernten Sohn gezeigt werden?“
Das Concertgebouworchester gilt als eines der besten der Welt. Was macht seine Einmaligkeit aus? Frauke Bernds, die ab 1. Februar Programmleiterin bei KölnMusik sein wird, findet: „Sein Klang hat mit dem Gebäude zu tun, dessen Akustik hervorragend ist. Dieses Geheimnis kann niemand erklären. Dann verfügt es über den Luxus sehr guter Instrumente, die passend zum Gesamtapparat ausgewählt werden. Drittens werden neue Kollegen danach ausgewählt, ob sie zum Klangbild passen.“ Aber letztlich sei es Geschmackssacke, welches Orchester jemand bevorzuge. Silke Räbiger, Künstlerische Leiterin des Internationalen Frauenfilmfestivals, die den Abend mit KölnMusik organisiert hat, wies in ihrer Eröffnungsrede darauf hin, dass Regisseurin Heddy Honigmann Kunst als Form der Liebe begreife. Und dass der Film zeige, wie Musik Menschen unterschiedlichster Kulturen verbindet. Dies ist tatsächlich gelungen.
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