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Lutz Gregor zu Gast im Odeon

Die Revanche der Musik

28. September 2016

„Mali Blues“ im Odeon – Foyer 09/16

Dienstag, 27. September: Erst zwei Tage zuvor war in Köln das „14. Afrika Film Fest“ mit großer Publikumsresonanz zu Ende gegangen. Deswegen bezeichnete Real Fiction-Verleihchef Joachim Kühn die NRW-Premiere des von Lutz Gregor inszenierten „Mali Blues“ als „Epilog oder eine Art Nachklapp“ desselben, zumal auch bei dieser Preview etliche afrikanische Stargäste ihren Weg ins Odeon-Kino der Domstadt fanden. Den im Film porträtierten Musikern, die sich erfolgreich gegen die im Norden ihres Landes von radikalen Islamisten verhängten Musikverbote auflehnten, hatten die Botschaft und das Auswärtige Amt die Reisen nach Deutschland ermöglicht. So kam es, dass Fatoumata Diawara, Master Soumy und Ahmed Ag Kaedi nach der Deutschlandpremiere des Films am 20. September in Berlin eine Woche lang fast täglich begleitend zu den Filmvorführungen Konzerte gespielt hatten. In Köln traten nach der Projektion des Films vor ausverkauftem Haus noch Ag Kaedi und Master Soumy auf, Diawara musste, als international erfolgreichste der malischen Musiker, bereits wieder anderen Tourneeengagements nachkommen.

Master Soumy beim Gespräch während der Umbaupause

Produzent Christian Beetz, der bei „Mali Blues“ zum ersten Mal mit Regisseur Lutz Gregor zusammengearbeitet hatte, erläuterte beim Publikumsgespräch mit Joachim Kühn, dass er sich „innerhalb von zwei Minuten“ dazu entschieden hätte, den Film zu finanzieren. Der intuitive Entschluss erwies sich als goldrichtig, zumal „Mali Blues“ bislang bereits zu zwanzig internationalen Filmfestivals eingeladen wurde und zwanzig weitere auf dem Terminplan der nächsten Wochen und Monate stehen. Gleichwohl war die Entstehungsgeschichte nicht so unkompliziert, wie einem Beetz’ Äußerungen glauben machen könnten. Lutz Gregor ergänzte nämlich: „Der Film war wirklich nicht einfach zu finanzieren, deswegen ist Christian Beetz meiner Meinung nach hauptberuflich Geburtshelfer.“ Für den in Köln beheimateten Filmemacher war es eine logische Entwicklung, sich den musikalischen Rebellen Malis filmisch zu widmen. Seit 2008 hielt sich Gregor zu einem Großteil in dem westafrikanischen Staat auf, wo er nacheinander drei Dokumentarfilme realisierte und dabei immer wieder mit der Musik seiner künftigen Protagonisten in Berührung kam. 2012 war es dann in Mali zum Putsch der Dschihadisten gekommen, die den Norden des Landes besetzten und mit streng islamistischen Verboten belegten. Nur zwei Monate später lernte Gregor die Sängerin Fatoumata Diawara bei einem Konzert in Hamburg kennen, und der Samen für seinen nächsten Film war gelegt.

Ahmed Ag Kaedi während seinem Live-Auftritt

Ahmed Ag Kaedi schildert im Film, dass er sich in seinem Exil in Bamako unwohl fühlt und als Tuareg am liebsten wieder nach Kidal in die Wüste zurückkehren würde, was ihm aber aufgrund seiner Tätigkeit als Musiker kaum möglich ist. In Köln erzählte er, bevor er auf der Bühne des Odeons einige seiner Songs zu Gehör brachte, dass er trotz allem nach wie vor in Bamako lebe, weil er nicht auf seine Musik verzichten wolle. Das bot Lutz Gregor die Gelegenheit, auf die oft falsch vermittelte aktuelle Situation im Norden Malis hinzuweisen: „Es herrscht dort ein unsteter Frieden, man könnte dort mittlerweile schon wieder Musik machen, aber auch für Profis ist dort nach wie vor kein Geld zu verdienen.“ Die Städte dort seien zwar nicht mehr von den Dschihadisten besetzt, aber es käme immer noch hin und wieder zu Anschlägen. Auch Master Soumy, dem malischen Rapper, fällt es schwer, mit seiner Leidenschaft, der Musik, Geld zu verdienen. Bevor auch er das Kölner Publikum mit einigen Live-Darbietungen begeisterte, sagte er: „Mali ist ein Land in der Krise. Aber die Musik ist meine Leidenschaft. Ich halte es für meine Aufgabe, mich für die Gesellschaft einzusetzen und meine pazifistische Botschaft zu verbreiten.“ Im Zuge von „Mali Blues“ gelingt es den musikalischen Rebellen nun nicht nur, ihre Überzeugungen und ihr Engagement in die Welt hinaus zu tragen. Es kommt auf ihrer Filmtournee darüber hinaus auch immer wieder zu einzigartigen Begegnungen mit anderen Musikern und einem entsprechenden kulturellen Austausch. Hier sind schon jetzt Beziehungen entstanden, die fortbestehen und die Welt bereichern werden.

Text/Fotos: Frank Brenner

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