Die Tierschutzbeauftragte der Bundesregierung, Ariane Désirée Kari, bezeichnete im März 2024 die Überlastung der Tierheime als eines der dringlichsten Tierschutzprobleme in Deutschland – mehr als zwei Drittel der Heime könnten keine Tiere mehr aufnehmen. Als eine Hauptursache nannte sie Spontankäufe während der Coronapandemie.
Krise auch ohne Corona
Die Wurzeln des Problems lägen allerdings tiefer, sagt Anke Süper, Vorsitzende des Wuppertaler Tierschutzvereins Pechpfoten: Die Überlastung in den Tierheimen könne nicht als Coronaeffekt abgetan werden. „Seit über zehn Jahren werden legal und illegal aus aller Welt Tiere nach Deutschland geholt. Ein Haustier wird oft nicht mehr klassisch adoptiert, sondern auf einem unüberschaubaren Tiermarkt gekauft, teils als Katalogbestellung aus dem Ausland und ohne vorheriges Kennenlernen.“ Die Trennung von dem Tier erfolge oft ebenso impulsiv wie der Kauf. Die Folgen für den Tierschutz: „Anfragen und Hilferufe werden mehr“, so Süper. Gesetzliche Maßnahmen, um vorschnellen Käufen vorzubeugen – beispielsweise Sachkundenachweise – unterstützt Süper, jedoch gehen ihr die derzeitigen Ansätze nicht weit genug: Jenseits von Fragebögen brauche es Theorie- und Praxisstunden mit abschließender Prüfung – wie beim Führerschein.
Dass Tiere ihr Zuhause verlieren, hänge aber keineswegs nur mit unüberlegten Anschaffungen zusammen. „Oft stehen menschliche Schicksale dahinter“, erklärt Süper, „durch Trennungen, Erkrankungen, Todesfälle oder pflegebedürftige Angehörige kann den Tieren nicht mehr genügend Fürsorge geboten werden.“ Hinzu kämen Hunde, die kurz nach ihrer Ankunft in Deutschland in Schreckmomenten Reißaus nähmen. „Leider gibt es mittlerweile auch in Deutschland eine Dunkelziffer an ‚Straßenhunden‘, die sich allerdings meist so gut verbergen, dass sie kaum wahrgenommen werden“, so Süper.
Deutschlands heimliche Straßenhunde
Die zwanzig Tierschützer:innen von Pechpfoten kümmern sich in erster Linie um Hunde, außerdem um Katzen und ferner um Kleintiere wie Kaninchen und Meerschweinchen. Lange Zeit suchte der Verein nach einem Gebäude, um Haustiere stationär aufnehmen zu können. Ein geeignetes Grundstück mit dem nötigen Abstand zu Wohnsiedlungen zu finden, erwies sich jedoch als schwierig. Darum ist die Zusammenarbeit mit privaten Pflegestellen bislang unverzichtbar. Den Durchbruch bei der Suche nach einem passenden Gebäude kam mit einem Anruf von Pfarrer Jörg Hohlweger, der die Chance für eine Kooperation sah – schließlich gehöre die Fürsorge für Geschöpfe in Not zu seinen Aufgaben in der Bergischen Diakonie Aprath.
Zum September 2022 wurden Pechpfoten e.V. die Schlüssel für das Gebäude überreicht, das zum Tierschutzzentrum Wuppertal werden soll. „Wir haben uns bewusst für diesen Begriff entschieden, da viele Menschen mit dem Begriff Tierheim enge Räume mit hohem Geräusch- und Geruchspegel verbinden.“ Diesem negativen Bild möchte Pechpfoten entgegenwirken: Die Tiere sollen nicht isoliert voneinander in Zwingern leben, sondern in artgerechten Kleingruppen, mit Zugang zu großen Außengehegen. Für jedes der Hundehäuser und die zwei bis drei darin untergbrachten Tiere ist ein Außengehege von hundert Quadratmetern geplant, Katzen sollen Gärten erkunden können.
Für Mensch und Tier
Das Tierschutzzentrum soll auch den Menschen in Wuppertal zugutekommen. Die Grünflächen des Grundstücks sollen während der Öffnungszeiten als Parkanlage nutzbar sein, zudem sind Workshops und teils inklusive Hilfsangebote geplant. „Wir möchten schließlich auch eine Begegnungsstätte werden“, erklärt Süper.
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