„Medizinischer Fortschritt ist wichtig – Tierversuche sind der falsche Weg“, lautet das Motto von Ärzte gegen Tierversuche. Der Verein, der im Jahr 1979 in Hamburg vom Ärzteehepaar Margot und Herbert Stiller gegründet wurde, fordert, dass für wissenschaftliche Forschung keine Tiere genutzt werden. Tierversuchsfreie Alternativen seien bereits wissenschaftlich erprobt und lieferten sogar sicherere Ergebnisse. Um diese Ergebnisse bekannter zu machen, führt der Verein eine eigens angelegte Internetdatenbank, hält Vorträge an Universitäten, bei Fachkongressen oder für die Öffentlichkeit und informiert bei Straßenfesten und Demonstrationen. Der Vorstand der spendenbasierten Organisation besteht aus Human- und Tiermediziner:innen, weitere Mitglieder arbeiten darüber hinaus in verschiedenen naturwissenschaftlichen Feldern.
Falschaussagen von Tierversuchen
Eine Besonderheit liege darin, dass Ärzte gegen Tierversuche nicht allein ethisch argumentiere, erklärt die Biologin Julia Radzwill, seit 2019 wissenschaftliche Referentin im Verein. Viele Menschen hielten Tierversuche nämlich durchaus für moralisch gerechtfertigt, da sie dem Wohl der Menschheit dienen würden. Das Argument sei keineswegs überzeugend, so Radzwill: „Die wissenschaftliche Begründung ist vor allem, dass Tierversuche nicht einfach so auf den Menschen übertragbar sind.“ Zwar gebe es durchaus ähnliche oder gleiche Reaktionen bei Tier und Mensch, die ungleichen würden allerdings überwiegen. Sie verdeutlicht das an Entwicklung von Medikamenten: Wirkstoffe würden an Tieren getestet, bevor eine Erprobung am Menschen erfolge, erst dann finde die Marktzulassung statt. „Von hundert Medikamenten schaffen es aber neunzig gar nicht durch diesen Prozess“ – als Hauptgrund für diese Misserfolgsquote nennt Radzwill die Falschaussagen der Tierversuche. „Alleine daran kann man sehr gut darlegen, dass diese Übertragbarkeit nicht funktioniert“.
Demgegenüber stünden tierversuchsfreie humanbasierte Forschungsmethoden, die die Reaktionen des Menschen viel besser vorhersagen können. In diesem Kontext führt Radzwill etwa die Arbeit mit sogenannten Organchips an, die in sieben von zehn Fällen erkannt haben, dass 10 bestimmte Medikamente für Herz oder Leber toxisch sind, während im Tierversuch keiner der Fälle aufgedeckt werden konnte. Zum Aufzeigen derartiger Alternativen hat der Verein die Internetdatenbank NAT Database (Non Animal Technologies) aufgebaut, wo er tierversuchsfreie Methoden einpflegt und mit Quellenangaben auf neue wissenschaftliche Publikationen verweist, um das umfangreiche Fachwissen transparent zu machen. Die Datenbank ist zugänglich sowohl für Forschende als auch für die Bevölkerung.
Datenbank wächst
In den vergangenen vier Jahrzehnten konnte der Verein, teils auch in Zusammenarbeit mit anderen Vereinen, mehrere Erfolge verzeichnen, darunter das Tierversuchsverbot für Kosmetika, das 2013 in Kraft getreten ist. Dennoch erschweren Probleme wie mangelnde Forschungsgelder und lange Behördenwege die Arbeit. Grundsätzlich wünscht sich Radzwill mehr Offenheit und Neugier bezüglich tierversuchsfreier Forschungsmethoden – die Pharmaindustrie etwa habe schon erkannt, dass der Verzicht auf Tierversuche sogar Kosten und Zeit spare. Schließlich gibt Julia Radzwill zu bedenken, dass Tierversuche letztlich über Steuergelder mitfinanziert würden, wodurch es sich keineswegs nur um eine Frage von Tierschutz handele: „Gerade im Bereich Medikamente ist es ein gesundheitspolitisches Thema“.
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