So langsam gewöhnt man sich an den alternierenden Austragungsort des Festivals, das diese Besonderheit bereits im Namen anführt: Das Internationale Frauenfilmfestival Dortmund / Köln (IFFF) findet vom 14.-18. April in diesem Jahr wieder in Köln statt. Über 100 Filme von Frauen aus aller Welt werden an den fünf Festivaltagen gezeigt. Mangelware sind Filme von Frauen sicher nicht. Und dennoch haben Frauen nur 20% Anteil an verantwortungsvollen Posten in der Filmproduktion. Das entspricht dem gesamtgesellschaftlichen Bild. Anfang März belegte eine Studie, dass Frauen im Durchschnitt zwar besser ausgebildet sind als Männer; sie nehmen aber deutlich weniger Führungspositionen ein und sind in der Regel auch schlechter bezahlt. Aber vielleicht ändert sich das ja in nicht allzu langer Zeit – gesamtgesellschaftlich und auch in der Filmbranche. Gerade wurde die renommierte Regisseurin Kathryn Bigelow für ihr Irak-Drama „The Hurt Locker“ als erste Frau mit dem Regie-Oscar ausgezeichnet. Beim Wettbewerb des Festivals – in der Jury sitzt u.a. die österreichische Filmemacherin Barbara Albert – steht jedoch die Jugend im Mittelpunkt. Der internationale Debüt-Spielfilmwettbewerb – der mit 1.000 Euro dotierte Publikumspreis, gestiftet von choices – präsentiert acht Filme von jungen Regisseurinnen, darunter fünf Deutschlandpremieren. Dort kann man vor allem eigenwilligen Frauenfiguren begegnen. Zum Beispiel der 40jährigen Architektin Greta. „Eine flexible Frau“ von Tatjana Turanskyj erzählt, wie sich Greta nach dem Verlust ihrer Arbeit neu definieren muss und dabei ins Straucheln gerät. Der Titel ist abgeleitet von Richard Sennetts Buch „Der flexible Mensch“. Dementsprechend diskursiv ist ihr Film angelegt, die Nähe der Regisseurin zu Theater und Performance ist dem filmischen Experiment ebenfalls anzumerken. Zentrum des Festivals ist wie immer die Sektion Panorama. Die Festivalmacherinnen bezeichnen das Panorama als ihre Schatzkiste. Dort sind Spiel- und Dokumentarfilme der letzten zwei Jahre zu sehen, die sich durch eine besondere Geschichte oder einen individuellen filmischen Ansatz auszeichnen. Prädestiniert dafür ist Andrea Arnolds „Fishtank“. Der zweite Langfilm von Arnold nach dem ebenfalls außergewöhnlichen „Red Road“ erzählt von der 14jährigen Mia, die in einem sozialen Brennpunkt in Essex aufwächst. Arnold wird inzwischen als Nachfolgerin des sozialrealistischen Filmemachers Ken Loach gehandelt und konnte mit ihren Filmen bereits etliche Festivalerfolge feiern, mit „Fishtank“ gewann sie im letzten Jahr den Jurypreis. Noch ganz am Anfang ihrer Karriere steht Juliane Großheim. Die Absolventin der Kunsthochschule für Medien in Köln portraitiert in der Künstlersekte des Wiener Aktionisten Otto Mühl aufgewachsene Kinder. Inzwischen erwachsen erzählen sie in „Die Kinder vom Friedrichshof“ von teils traumatischen Erlebnissen. Eine Besonderheit der diesjährigen Festivalausgabe ist der Fokus auf den Balkan. Das IFFF zeigt Filme der letzten 8 Jahre und trägt somit der Tatsache Rechnung, dass der Arthousefilm auf dem Balkan an Bedeutung gewonnen hat. Nicht zuletzt in den ehemaligen Gebieten Jugoslawiens wird das Kino genutzt, um die menschlichen Tragödien des Kriegs aufzuarbeiten. Besonders spannend ist in diesem Jahr auch der queere Programmteil des Festivals: „begehrt!“ setzt in diesem Jahr den Schwerpunkt auf Animation und Anime.
IFFF – Internationales Frauenfilmfest
Dortmund / Köln I 14.-18. April
Filmforum im Museum Ludwig, Odeon,
Filmpalette
www.frauenfilmfestival.eu
choices: Frau Schiel, lange Zeit war das Kino des Balkan von den Filmen Emir Kusturicas dominiert und dementsprechend auf dessen derben Humor reduziert. Was zeichnet die Filme der jüngeren Generation aus?
Betty Schiel: Beim Sarajewo Film Festival, dem wichtigsten Festival der Region, war die Hälfte der Filme des Wettbewerbs Debütfilm. Ganz offensichtlich rückt also eine neue Generation von jungen FilmemacherInnen nach. Sie sind in sozial und politisch unsicheren Kriegszeiten aufgewachsen, in Zeiten des Übergangs. Also werfen sie auch einen neuen Blick auf die sich gerade formierenden Gesellschaften und die traumatische Vergangenheit. Es gibt viel Mut, Geschichten unkonventionell zu erzählen, und vor allem gibt es überhaupt viele Geschichten zu erzählen.
Filme wie „Esmas Geheimnis“ von Jasmila Žbani´c oder „Snow“ von Aida Begi´c zeigen, dass vor allem Frauen die Ereignisse des Krieges filmisch aufarbeiten. Spiegelt sich das in ihrem diesjährigen Programm, oder ist der Jugoslawienkrieg dort kaum Thema?
Oft wird in den Filmen, so auch in Ihren Beispielen, die Vergangenheit Schritt für Schritt aufgedeckt, und ans Licht kommt einerseits eine schmerzhafte Wahrheit, aber zugleich auch ein sehr starker Wille der angeschlagenen Heldinnen und ein unumstürzliches Wissen um die grundlegenden menschlichen Werte. Das hat eine große Kraft. In Jasmila Žbani´cs aktuellem Film „Na Putu“, den wir als Eröffnung zeigen, geht es um ein modernes, junges Paar in Sarajewo. Der Mann hat ein Alkoholproblem und verliert seinen Job. Zunehmend radikalisiert er sich in einer wahhabitischen Gemeinde, und seine Freundin versteht ihn immer weniger. Das ist keine Kriegs-Geschichte, aber der Held ist immer noch geprägt von seinen traumatischen Erfahrungen. Jasmila Žbani´c hat aber gesagt, dass sie jetzt Lust hat, eine Komödie zu drehen.
Trotz großer Kritikererfolge laufen viele der Filme hierzulande höchstens auf Festivals ...
Es ist allgemein ein Trend, dass bestimmte Filme nur noch auf Festivals laufen. Deswegen glaube ich auch, dass die Festivals sehr wichtig sind, damit die Zuschauer sich überhaupt ein Bild machen können von der Vielfalt der Filmlandschaft. Mit einem Länderschwerpunkt hat man auf jeden Fall die Möglichkeit, bestimmte Themen in den Fokus zu setzen. Der Krieg und die politischen Veränderungen in Südosteuropa betreffen uns alle, das wird oft falsch dargestellt als ein Problem der „armen“ Nachbarn.
Die Sektion Panorama ist ein Sammelbecken für spannende Filme von Frauen, die in der (deutschen) Kinoauswertung übergangen wurden.
Wir zeigen – nicht nur im Panorama – zahlreiche Deutschland-Premieren oder zumindest Filme, die bisher nur auf wenigen Festivals zu sehen waren. Das sind der Anspruch und die Qualität unseres Festivals. Wer zu uns kommt, sieht herausragende Filme, die man woanders nicht zu sehen bekommt. Darunter sind viele Dokumentarfilme und Kurzfilme, für die es ja kaum noch Kinoplätze gibt.
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