Die persönlichen Spuren im Büro sind noch spärlich. Seit 1. Oktober leitet Bettina Milz das Referat Theater und Musik der Abteilung Kultur in der Düsseldorfer Staatskanzlei, doch viel Zeit zum Eingewöhnen blieb ihr in ihren ersten hundert Tagen nicht; die hohe Verschuldung der Städte, die in NRW den Löwenanteil der Kulturförderung tragen, ruft derzeit auch die Abteilung unter Kultur-Staatssekretär Hans-Heinrich Grosse-Brockhoff auf den Plan.
Zurzeit vergeht fast kein Abend, an dem Bettina Milz nicht unterwegs ist; mal besucht sie das Theater Aachen, mal das Festival „Impulse“, dann ein Konzert der musikfabrik nrw. „Es ist natürlich wichtig, dass man die Institutionen und Künstler kennt, die man fördert“. Und das ist eine Menge.
Über Betriebskosten-, Projekt- und sonstige Zuschüsse unterstützt das Land kommunale Theater genauso wie Landestheater, freie und Privattheater sowie Festivals; dazu Orchester, freie Ensembles, Chöre bis in die Laienmusik. Theater und Musik kamen so 2008 auf ein Volumen von 66 Mio. und damit 44% allein des Kulturhaushalts der Staatskanzlei. Der Eintritt von Bettina Milz in die Staatskanzlei überraschte, war sie doch bisher als Frau der Praxis bekannt. Nach ihrem Studium der Angewandten Theaterwissenschaft in Gießen lange in der freien Tanzszene aktiv war sie als Dramaturgin in Erlangen engagiert, hat das Projekt „Junge Oper“ der Staatsoper Stuttgart geleitet, an Universitäten gelehrt und zuletzt dem Festival „Favoriten/Theaterzwang“ in Dortmund eine neue Struktur verpasst. „Ich habe mich schon länger damit beschäftigt, aus der Praxis in den direkten Förderbereich zu gehen“, sagt Bettina Milz. Es waren die von Hans-Heinrich Grosse-Brockhoff betriebene Ausweitung der Tanzförderung und die Initiative „Jedem Kind ein Instrument“ (JEKI), die sie gereizt haben, diesen Schritt gerade in NRW zu tun. Vor allem das Thema kulturelle Bildung liegt der früheren Leiterin der Jungen Oper in Stuttgart sehr am Herzen, und da dürfte ihre praktische Erfahrung noch den einen oder anderen zusätzlichen Akzent setzen.
Noch befindet sich die neue Referatsleiterin allerdings beim „Einlesen“ in die Förderkonzepte. Begeistert ist sie vor allem von der „Erweiterung der Tanzförderung“, die ihr Vorgänger Wolfgang Hofmann mit der Spitzenförderung von Tanzensembles und der Einrichtung der Tanzagentur zur Vernetzung in den Bereichen Werbung, Administration und internationaler Austausch auf den Weg gebracht hat. Deshalb sollen jetzt auch die „Mittelzentren“, also die kleinen Veranstalter, bei Gastspielen stärker unterstützt werden. Das gleiche gilt für freie Produktionsstätten, deren Etat oft nicht mehr die künstlerische Arbeit, sondern nur noch den Bestand sichert. „Man wird über neue Produktionsstrukturen nachdenken müssen“, sagt Bettina Milz und nennt als Beispiel Häuser in Belgien und Holland, die sich als Künstlerhäuser mit Konzerten, Theater, Tanz oder Lesungen definieren. Doch zunächst einmal gilt es, die Krise zu meistern: „Zuwachs ist schön, aber die Substanz erst mal zu sichern, ist eine ganz wichtige Aufgabe“.
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