Es ist eine einfache Geschichte. Sie spielt irgendwo am Rande der endlosen Prärie. Ein Mann lebt zusammen mit seiner Tochter in einem Haus am Fluss. Sie leben alleine, die Mutter hat die Familie vor langer Zeit verlassen. Vater und Tochter lieben sich wie Eltern und Kinder das tun. Doch allmählich löst sich die Tochter von ihrem Vater. Es ist eine einfache, aber auch eine persönliche Geschichte, die der Regisseur Richard Maxwell in seinem Stück „Das Mädchen“ erzählt und die er am Theater Bonn herausbringen wird. Er selbst ist seit drei Jahren Vater einer Tochter. „Für mich ist diese Geschichte eine Projektion in die Zukunft“, sagt er im Telefoninterview. Nicht zuletzt sei es aber auch eine archetypische Geschichte, ganz im Sinne von CG Jung, wonach Archetypen wie ein altes Flussbett seien, dem wir folgen.
Seit etwa 10 Jahren erschüttern der amerikanische Regisseur Richard Maxwell und die New York City Players mit ihren Arbeiten das europäische Theaterverständnis. Es sind nicht so sehr die Sektion des Mythos von der Kleinfamilie am Rande der Gesellschaft, die wehenden Countryklänge oder die Figurenmonologe, die für Irritation sorgen. Was unserem Begriff von Dramatik und Interpretation zuwiderläuft, sind die affektlose und unpsychologische Spielweise und der bewegungsarme Inszenierungsstil Maxwells. Etwas, das seinen Figuren eine merkwürdige Aura der Erschöpfung angesichts einer allgegenwärtigen Monotonie verleiht.
Inzwischen gehören seine Stücke ins Portfolio fast jedes anspruchsvollen Festivals. In Bonn hat er bereits 2006 die Auswanderergeschichte „The Frame“ inszeniert und kehrt nun mit „Das Mädchen“ in die ehemalige Bundeshauptstadt zurück. Das neue Stück birgt aber auch einige formale Überraschungen. „Ich habe es wie eine Kurzgeschichte mit Absätzen heruntergeschrieben“, sagt der 41jährige Regisseur. Es gebe fast keine Dialoge, dafür aber Absätze im Schriftbild. Wie er das auf die Bühne bringen soll, weiß er selbst noch nicht, aber er liebt diese Art von Herausforderung. Es geht ihm darum, nach neuen Wegen zu suchen, wie sich Geschichten auf der Bühne erzählen lassen. Das Besondere des Theaters liege schließlich darin, dass der Körper des Schauspielers gleichzeitig in Realzeit, aber auch als Teil einer Geschichte, als Charakter und als menschliches Wesen gegenwärtig sei. Die Herausforderung der neuen Produktion liege deshalb darin, wie eine Geschichte, die zunächst ohne Worte auskommt, mit dem Körper erzählt werden kann. Maxwell, der gerade auch ein Libretto für ein Ballett schreibt, wird deshalb in Bonn mit einem Choreographen zusammenarbeiten. Ein eher pragmatischer Grund liegt für ihn schließlich darin, dass in Bonn amerikanische und deutsche Schauspieler gemeinsam auf der Bühne stehen werden und die Wortlosigkeit des Stücks so das Sprachproblem löst. Gerade einmal vier Wochen sind für die Proben angesetzt, doch für Richard Maxwell ist das kein Problem: „Wir lassen uns auf die Bedingungen ein. Wenn wir nur eine Woche hätten, würden wir auch etwas zustande bringen“.
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