Nee Leute, nicht mit mir. Mein persönliches Horrorszenario: Es klingelt an der Tür. Ein Mensch steht davor und will sich meinen Staubsauger leihen. Mein Nachbar zum Beispiel, der als Ebay-Profi seine Wohnung in ein staubschwangeres Kartonlager mit den klebrigen Überresten der letzten drei Jahrhunderte verwandelt hat. Oder die Kurzhaarige vom Haus nebenan, mit den vier zittrigen Windhunden. Am allerschlimmsten: die ältere Lady auf meiner Etage, mit den guten Manieren und der Sonntagskleidung, die an meinem Gerät bestimmt jeden Fleck und jede Fluse bemerken würde. Nein, meine Tür bleibt zu!
Sicherlich – wenn man rational denkt, fällt einem schon auf, dass es nicht unbedingt nötig ist, dass es in einem Sechsparteienhaus mindestens sechs Staubsauger, sieben Mixer, acht Akkuschrauber und neun Haarföne gibt. Klar, man könnte sich natürlich das eine oder andere Gerät auch teilen. Aber wer will in dieser Frage schon rational denken? Zuhause ist da, wo mein eigener Dreck dran klebt. Wo eigene Erinnerungen drin stecken. Wie sehr man sich an seine Nutzgegenstände klammert, merkt man erst, wenn man sie dem lieben Nächsten überlassen soll. In Beziehungen heißt das Besitzdenken und ist meistens nicht sehr produktiv – umso ungehemmter kann man seinen Alleinanspruch bei Gegenständen ausleben.
Meins meins meins. Egoismus, Konkurrenz, Verwertbarkeit – tagtäglich lernen wir, dass das unser Leben ist. Ist es das? Was lässt sich der großen Erzählung des Besitzmehrens, der Fata Morgana eines steten Wachstums entgegen setzen? Erst einmal ein anderes Menschenbild. Große Überraschung: nicht jeder will ein Schwein sein. Der Homo oeconomicus, der ewig nur an den eigenen Vorteil denkende Nutzenmaximierer, ist ein Zerrbild. Entgegen aller Klischees lebt selbst das Reich der Natur nicht im reinen Optimierungswettkampf, Darwin lag fett daneben. Effizient ist die Natur schon mal nicht, einige Fischarten müssen Millionen Eier legen, damit mal einer von ihrer Sorte überlebt, und trotzdem gibt es sie noch. Und die Konkurrenz um Ressourcen führt in der Wildnis nicht zu evolutionärer Verbesserung, sondern zum Verhungern. Selbst der eigene Körper ist für niemanden persönlicher Besitz, sondern existiert nur im Austausch, von Sauerstoff, Wasser und Nahrung.
Die Wissenschaft und auch manche Alltagserfahrung zeigen: nicht jeder Zweibeiner ist ein Seehofer. Denn der Mensch will gut sein, er will sich kooperativ und fair verhalten – bis das erste Arschloch kommt, das sich nicht ans Gemeinwohl hält. Dann erst bricht die Solidarität zusammen. Man sieht es schon an Kindern: gerne helfen sie selbstlos, bis man anfängt, ihnen Belohnungen zu geben. Sofort ist es vorbei mit der inneren Motivation. Geld verdirbt den Charakter, und ein einziger Egoist verdirbt die Moral von ganzen Gruppen.
Der Mensch will Gemeinschaft, er wünscht sich Akzeptanz und Zusammengehörigkeit. So gesehen heißt teilen nicht verzichten, sondern vermehren. Dann geht es nicht darum, immer nur zu sparen und sich mit weniger zu begnügen, sondern zu begreifen, dass mehr Konsum nicht zu mehr Glück führt. Sinnvolle Arbeit, Netzwerke, Vertrauen, Teilhabe statt Trennung: das ist die positive Erzählung, die wir brauchen. Kein miesepetriger Verzicht, sondern eine Orientierung an dem, was wirklich zufrieden macht. Mit dieser Botschaft haben wir eine Chance, die Welt neu zu gestalten.
Also gut, Leute – an mir soll's nicht liegen. Wisst ihr was: meinen Staubsauger könnt Ihr haben. Und ein offenes Ohr dazu. Denn vielleicht kommt es zuallererst darauf an: nicht selbst das eine Arschloch zu sein, das allen anderen das Leben verdirbt. Wenn Ihr also demnächst eine Frau wild winkend an der Straßenecke seht, die einen Staubsauger dabei hat: das bin ich. Kommt ruhig mal vorbei. Machen wir der Einsamkeit der Geräte ein Ende. Und der eigenen gleich mit.
FAIR HANDELN – Aktiv im Thema
nachhaltig-einkaufen.de | Als Konsument kann man ethisch viel falsch machen. Diese Webseite verrät, wo man mit dem „richtigen“ Einkaufen beginnen kann.
forum-fairer-handel.de | Hier haben sich wichtige Akteure Fairen Handels zusammengeschlossen, um dessen Gewicht in Politik und Handel zu stärken.
germanwatch.org | Die NGO aus Bonn beobachtet seit vielen Jahren die Entwicklung des weltweiten Nord-Süd-Gefälles und streitet für eine gerechtere Welt.
Fragen der Zeit: Wie wollen wir leben?
Schreiben Sie uns unter meinung@choices.de
Hat Ihnen dieser Beitrag gefallen? Als unabhängiges und kostenloses Medium sind wir auf die Unterstützung unserer Leserinnen und Leser angewiesen. Wenn Sie uns und unsere Arbeit finanziell mit einem freiwilligen Betrag unterstützen möchten, dann erfahren Sie über den nebenstehenden Button mehr.
Es geht auch anders
Die Fair Trade Night im Forum VHS – Spezial 10/18
Buy fast – die young
„Fast Fashion“ im RJM – das Besondere 10/18
Schick und Schock
Coole Klamotten / kaltes Herz
„Wettbewerb braucht ethische Prinzipien“
Ökonom Christoph Lütge über die Bedingungen ethischen Wettbewerbs
Fairness jenseits von Ökolatschen und McKinsey
„Ökorausch“ und „Social Value“ in Köln
Spielend ins Verderben
Wie Personalmanagement das Leben neu definierte – Glosse
Ode ohne Freude
Gedanken zur EU – Glosse
Sinnenbaden im Meer
Ode an das Meer – Glosse
Blutige Spiele und echte Wunden
Gewalt in den Medien: Ventil und Angstkatalysator – Glosse
Gib mir Tiernamen!
Wie sich die Natur schwuppdiwupp retten lässt – Glosse
Nur die Lokomotive
Verloren zwischen Bett- und Lebensgeschichten – Glosse
Der heimliche Sieg des Kapitalismus
Wie wir vergessen haben, warum wir Karriere machen wollen – Glosse
Im Sturm der Ignoranz
Eine Geschichte mit tödlichem Ausgang – Glosse
Märchenspiegel 2.0
Vom Streben nach konformer Schönheit in feministischen Zeiten – Glosse
Von der Barbarei der Debatte
Natürlich kann man vermeiden, dass irgendwer Dinge hört, gegen die er allergisch ist – Glosse
Staatsmacht Schicht im Schacht
Mögen Körperflüssigkeiten den Parlamentarismus retten – Glosse
Neidischheit und Geiz und Reichheit
Die Reichen sind geizig und die Armen neidisch. Klare Sache? – Glosse
Der Beverly Hüls Cop
Warum Gewaltenteilung, wenn es nur eine Gewalt braucht? – Glosse
Gemeinsam einsam
Die Kunst, nebeneinander zu sitzen und Welten entfernt zu sein – Glosse
Besser erzählt
Vom verborgenen Kollektiv, das sich die Zukunft ausdenkt – Glosse
Die Große Freiheit
Menschen und die Grenzen des Wahnsinns – Glosse
Held der Arbeit
Wer sehr hart arbeitet, wird reich! – Glosse
Freiheitskampf zwischen LEDs
Widerstand in einer fast wirklichen Welt – Glosse
Zu Fuß zur Gerechtigkeit
Von Bahnen, die nicht fahren – Glosse
Glück auf Klick
Von digitalen Keksen und echter Pasta – Glosse