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Warum nicht einfach gemeinsam zocken?
Foto: JustLife / Adobe Stock

Blutige Spiele und echte Wunden

26. Juli 2024

Gewalt in den Medien: Ventil und Angstkatalysator – Glosse

Die Bombe muss ganz in der Nähe sein. Hinter diesem Kistenstapel, in dem kleinen, staubigen Hinterhof. Vorsichtig strecke ich meinen Kopf an den Kisten vorbei, wohl wissend, dass auch die eine Gewehrsalve kaum aufhalten würden. Da höre ich Schüsse hinter mir. Ich drehe mich um. Einer der Terroristen fällt leblos aus der Tür, durch die er sich rausgeschlichen hatte, um mir hinterrücks in den Kopf zu schießen. Doch mein Partner aus der Antiterroreinheit hat seine Aufgabe erfüllt, mir Rückendeckung zu geben. Jetzt kann ich den Hof betreten, die Bombe suchen und entschärfen. Etwas Frieden in dieses Wüstenstädtchen bringen. Peng! Peng! bekomme ich zwei gezielte Schüsse in den Kopf.

„Verdammte Scheiße!“, brülle ich in mein Headset, während ich die Blutspritzer hinter meiner Spielfigur betrachte. Und ich schiebe an meine Kameraden hinterher: „Hinter dem grünen Lieferwagen! Passt auf, da ist noch einer!“

Arbeiten und Zocken

Meine Freundin, die gerade unser Arbeits- bzw. mein Gaming-Zimmer betritt, fragt mich, ob es nicht wenigstens ein Computerspiel gäbe, das ohne „diese ganze Gewalt immer“ auskäme. Die Diskussion hatten wir schon tausendmal. Ob ich davon nicht aggressiv würde. Irgendwann würde ich Amok laufen. Ich ignoriere ihren Kommentar und konzentriere mich wieder auf den Bildschirm, während sie sich eine Ausgabe von Stern Crime schnappt und wieder im Wohnzimmer verschwindet. Titelstory: „Die Amazone – Alle sollen sterben. Alle, die sie je geliebt hat“. Nach einer wahren Geschichte.

Was für meine Fitness könnte ich mal tun, sagt sie. Da muss ich ihr recht geben. Boxen wäre doch was. Oder Muay Thai? Ob ich bescheuert wäre, fragt sie. So ein stupides Aufeinandereingekloppe, das könne sie nicht verstehen.

Ob mich diese Musik nicht aggressiv mache, fragt meine Freundin immer, wenn sie von der Arbeit kommt und ich zu Liedern wie „Let the Bodies Hit the Floor“, „Destroy Everything“, „Hammer Smashed Face“ oder „Pleasure to Kill“ den Hausputz mache. Ich verneine dann, drücke ihr einen Kuss auf den Mund und mache die Anlage aus. Sie muss jetzt entspannen nach einem anstrengenden Tag im Büro. Statt Death Metal von Cannibal Corpse erzählen zwei junge Menschen im SWR-Podcast „5 Minuten vor dem Tod“ von ominösen Leichenfunden und einer Mordliste. 

Mordsmäßig entspannen

Meine Faszination für Waffen teilt sie nicht. Wenn ich einen Waffenschein mache, macht sie Schluss, sagt sie.

Ich lache als in meiner aktuellen Lieblingsserie die Blutfontäne des Geköpften den Raum knöcheltief mit tiefroter Flüssigkeit färbt. Meine Freundin sieht mich komisch an. Verzieht das Gesicht. Vergräbt es dann wieder in einem Buch über den US-amerikanischen Serienmörder und Sexualstraftäter Ted Bundy. 

Wie konnte sie es so lange mit so einem Lauch aushalten, sagt sie irgendwann. Die Welt sei so schlecht, überall Gewalt und Verbrechen, da brauche sie jemanden, der sie beschützt. Und nicht einen, der irgendwann vielleicht ausbricht und ihr etwas antut. 

Das wäre es also gewesen. Ich habe nicht mitgekriegt, dass die Welt böse ist. Außer ein paar eher harmlosen Schlägereien habe ich so etwas nicht einmal aus der Ferne erlebt. Dabei sind Männer häufiger Opfer von Gewaltverbrechen als Frauen. Aber ich habe ja auch nicht ihre Zeitschriften und Bücher gelesen und Podcasts gehört. Vielleicht bin ich einfach blind.

Die Straße entlang

Alles, was ich jetzt sehe, ist, wie sie den Rollkoffer die Straße entlangzieht und in den Kofferraum eines Autos schmeißt. Wie sie die Beifahrertür aufmacht und sich ins innere des Wagens schwingt. Wie der Wagen losfährt. Welches Kennzeichen es hat.

Alles, was ich jetzt fühle, ist Leere. Müsste ich nicht Wut und Hass empfinden? Müsste sich nicht jetzt die Aggression Bahn brechen – ist es nicht das, wovor sie sich fürchtete? Vielleicht kommt das ja noch. Wahrscheinlicher aber werde ich bald einfach unendlich traurig sein.

Dann lenke ich mich doch lieber mit Thrash Metal und exzessivem Zocken ab.

Marek Firlej

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