Schlafstörungen, Panikattacken und Appetitlosigkeit: Ein gewaltsamer Angriff kann das Leben des Opfers schlagartig ändern. In solchen Momenten ist es wichtig zu wissen, dass es Hilfe gibt.
Anja Kleck und Sarah Buß sind Opferschutzbeauftragte der Kölner Polizei und immer dann zur Stelle, wenn besonders schlimme Verbrechen geschehen. Wenn Opfer stark verletzt sind oder Traumatisches erlebt haben, „bieten wir Hilfe an, um das Erlebte bestmöglich zu verarbeiten und wieder ins normale Leben zurück zu finden“, sagt Sarah Buß. Einige Opfer benötigten rechtlichen Beistand, andere psychologische Unterstützung, jeder Fall sei individuell. Buß arbeitet im zweiten Jahr als Opferschutzbeauftragte. Sie unterstützt ihre Kollegin Anja Kleck, die seit fast zehn Jahren als Opferschutzbeauftragte im Kriminalkommissariat Kriminalprävention/Opferschutz im Polizeipräsidium Köln-Kalk arbeitet. Beide haben zuvor bereits Gewalt- und Sexualdelikte bearbeitet.
Zum richtigen Zeitpunkt
„Unser Tag beginnt mit einem Blick auf die Ereignisse der letzten Nacht im Stadtgebiet Köln und Leverkusen. Wir schauen dann nach herausragenden Fällen – beispielsweise versuchte Tötungen, überfallartige Vergewaltigungen, gewaltsame Raubdelikte“, erklärt Anja Kleck ihren Arbeitsalltag.
Oft sei direkt nach der Vernehmung noch nicht der richtige Zeitpunkt, die meist unter Schock stehenden Opfer mit Informationen und Fragen zu belasten. „Wir fragen bei den zuständigen Kolleginnen und Kollegen der Sachbearbeitung nach, wann die Geschädigten bereit sind, mit uns in Kontakt zu treten. Oder die Anfragen kommen von den ermittelnden Kollegen“. Tätig werden können sie jedoch erst dann, wenn eine Anzeige erstattet wurde. Wichtig sei, Betroffenen das Gefühl zu vermittlen, dass sie nicht alleine sind, so Kleck: „Wir sind für Sie da. Morgen melden wir uns und überlegen dann gemeinsam, was Sie benötigen.“ Vielen würde es helfen zu wissen, dass körperliche Reaktionen auf das Erlebte ganz normal seien.
Opfer, Zeugen und Angehörige
Die meisten reagierten dankbar auf das Angebot, das wohlgemerkt ein polizeiliches sei, kein psychologisches, betont Buß. Mit Beratungs- und Hilfestellen stehen sie in engem Kontakt und können zeitnah Termine vermitteln, etwa bei Traumaambulanzen oder dem Weissen Ring.
Die Nummer der Opferhilfe ist online leicht aufzufinden, so meldeten sich telefonisch auch Menschen mit weniger dramatischen Erlebnissen. „Diese Menschen beraten wir natürlich auch“, so Kleck. Außerdem unterstützen Anja Kleck und Sarah Buß Angehörige und Zeugen schwerer Gewalttaten, die oft ebenfalls Belastendes erlebt haben.
Für viele Jahre
In vielen Fällen ist Hilfe langfristig gefragt. Erleidet jemand durch einen Schlag ins Gesicht eine Knochenfraktur am Kiefer, können noch Jahre später zahnmedizinische Behandlungen notwendig sein. Leistungen nach dem Sozialen Entschädigungsrecht deckten alle möglichen medizinischen Folgekosten ab. Eine rechtzeitige Antragstellung sei daher wichtig, erklärt Kleck.
Da Kleck und Buß zu zweit nicht alle Opfer von Gewalt im Raum Köln und Leverkusen betreuen können, klären sie in Fortbildungsveranstaltungen regelmäßig ihre Kollegen über Opferschutz auf.
Ein paar Tipps hat Kleck auch parat: Die Polizei Köln bietet Selbstbehauptungskurse für Frauen an. Pfefferspray wird für Ungeübte nicht empfohlen, zu groß ist das Risiko, selbst etwas abzubekommen. Besser sei ein Schrillalarm für die Tasche.
Hat Ihnen dieser Beitrag gefallen? Als unabhängiges und kostenloses Medium sind wir auf die Unterstützung unserer Leserinnen und Leser angewiesen. Wenn Sie uns und unsere Arbeit finanziell mit einem freiwilligen Betrag unterstützen möchten, dann erfahren Sie über den nebenstehenden Button mehr.
Machtspiele
Intro – Gewaltrausch
Zu Staatsfeinden erklärt
Teil 1: Leitartikel – Der Streit über Jugendgewalt ist rassistisch aufgeladen
„Es liegt nicht am Gesetz, Kriminalität zu verhindern“
Teil 1: Interview – Kriminologe Dirk Baier über Gewaltkriminalität und Statistik
Der andere Grusel
Teil 2: Leitartikel – Von der rätselhaften Faszination an True Crime
„Prüfen, ob das dem Menschen guttut“
Teil 2: Interview – Publizist Tanjev Schultz über ethische Aspekte der Berichterstattung über Kriminalfälle
Orientierung im Hilfesystem
Teil 2: Lokale Initiativen – Die Opferschutzorganisation Weisser Ring in Bochum
Maßgeschneiderte Hilfe
Teil 3: Leitartikel – Gegen häusliche Gewalt braucht es mehr als politische Programme
„Eltern haben das Gefühl, sie müssten Buddhas werden“
Teil 3: Interview – Familienberaterin Nina Trepp über das Vermeiden von psychischer Gewalt in der Erziehung
Häusliche Gewalt ist nicht privat
Teil 3: Lokale Initiativen – Frauen helfen Frauen e.V. und das Wuppertaler Frauenhaus
Fessel für die Freiheit
Elektronische Fußfessel für häusliche Gewalttäter – Europa-Vorbild: Spanien
Blutige Spiele und echte Wunden
Gewalt in den Medien: Ventil und Angstkatalysator – Glosse
Jenseits der Frauenrolle
Teil 1: Lokale Initiativen – Die Spieldesignerin und Label-Gründerin Mel Taylor aus Köln
Immer in Bewegung
Teil 2: Lokale Initiativen – Sportangebote für Jugendliche im Open Space in Bochum
Zusammen und gegeneinander
Teil 3: Lokale Initiativen – Spieletreffs in Wuppertal
Zu Gast in Europas Hauptstadt
Teil 1: Lokale Initiativen – Die europäische Idee in Studium und Forschung an der Kölner Universität
Europa verstehen
Teil 2: Lokale Initiativen – Initiative Ruhrpott für Europa spricht mit Jugendlichen über Politik
Verbunden über Grenzen
Teil 3: Lokale Initiativen – Wuppertal und seine europäischen Partnerstädte
Was keiner haben will
Teil 1: Lokale Initiativen – Das Kölner Unternehmen Plastic Fischer entsorgt Plastik aus Flüssen
Korallensterben hautnah
Teil 2: Lokale Initiativen – Meeresschutz im Tierpark und Fossilium Bochum
Wasser für Generationen
Teil 3: Lokale Initiativen – Der Wupperverband vernetzt Maßnahmen und Akteure für den Hochwasserschutz
Forschung muss nicht quälen
Teil 1: Lokale Initiativen – Ärzte gegen Tierversuche e.V. argumentiert wissenschaftlich gegen Tierversuche
Kaum entdeckt, schon gefährdet
Teil 2: Lokale Initiativen – Artenschutz und Umweltbildung in der Zoom Erlebniswelt Gelsenkirchen
Ein neues Zuhause
Teil 3: Lokale Initiativen – Der Wuppertaler Tierschutzverein Pechpfoten