Das Reiz-Reaktionsschema ist das bekannte: Nachdem die Kunststiftung NRW dem Impulse-Festival den Zuschuss für 2015 versagt hat, läuft jetzt die Protestwelle. Ein offener Brief mit mehr als 100 Unterschriften der wichtigsten Namen der Freien Szene wurde an Ministerpräsidentin Hannelore Kraft geschickt. Doch die Zeit, die nötigen 150.000 Euro zu beschaffen, die durch die Entscheidung der Kunststiftung wegfallen, wird knapp. Dabei ist die Situation für die Impulse seit Jahren bedrohlich, eine stabile Finanzierung gab es eigentlich nie. Vergangenes Jahr betrug der Gesamtetat 830.000 Euro, von denen zunächst nur die Hälfte durch die Veranstalterstädte Köln, Düsseldorf und Mülheim, das Kultursekretariat NRW sowie die Kunststiftung NRW gesichert waren. Damit kam man immerhin auf einen Sockelbetrag, mit dem man hausieren gehen konnte.
Die Entscheidung der Kunststiftung NRW ist eine souveräne, doch es bleiben ein paar Fragen. Hans-Joachim Wagner, Fachbereichsleiter für Musik und Darstellende Künste, betont, dass man dem Festival keine Gelder gestrichen habe: „Die Stiftung fördert nur projektgebunden“. Nichtsdestotrotz hat man das Impulse Festival seit 1992 durchgehend unterstützt, wenn auch nicht immer mit derselben Summe. Warum nun nicht mehr? Wagner spricht von Expertenanhörungen zur Frage „Was braucht das zeitgenössische Theater?“ Die Antwort: Man will den landeseigenen Nachwuchs an „der Scharnierstelle zwischen Ausbildungsende und Eintritt in die freie Kunstproduktion“ unterstützen. Nutznießer wird das Festival „Cheers for Fears“ sein, das szenische Projekte von Studenten der Bochumer Theaterwissenschaft und der Essener Folkwang Hochschule zeigt. Dass diese Förderung eine langfristige sein wird, verhehlt Wagner nicht. Der Hinweis auf die projektgebundene Förderung ist also Augenwischerei. Eine weitere Pointe liegt darin, dass die Freie Szene in NRW seit Jahren über ihre mangelnde Präsenz beim Impulse-Festival klagt und sich beim Favoriten-Festival tummelte, dem Bestentreffen der NRW-Szene. Das bekommt jetzt auch eine kleine finanzielle Infusion. Zusätzlich erhalten die Produktionshäuser in NRW Mittel für nationale und internationale Produktionen – bei so viel weltläufiger Regionalität braucht es offenbar keine „Impulse“ mehr von außen.
Und dann wäre da noch das Institut für Theaterwissenschaft der Ruhr-Uni, das seit Jahren an seiner Profilierung arbeitet. Inzwischen hat man sich ein dichtes Netzwerk mit Produktionshäusern, Theatern, Zeitschriften und Institutionen geschaffen. Dazu gehörte auch, dass Bochumer Theaterwissenschaftsstudenten als Scouts für das Impulse-Festival tätig waren. Jetzt gönnt man sich auf dessen Kosten nicht nur die „Cheers for Fears“-Plattform, sondern bekommt auch noch eine Gastdozentur für szenische Forschung von der Kunststiftung NRW bezahlt. Und deshalb sucht man die Unterschriften Bochumer Theaterwissenschaftler auf der Unterstützerliste für Impulse vergeblich. Liebe Studenten in Bochum: Viel Spaß! Liebe Bürger in Köln, Düsseldorf und Mülheim: Der nächste impulslose Nachwuchs kommt bestimmt.
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