1969 wurde Marie Bäumer in Düsseldorf geboren, ist aber in Hamburg aufgewachsen. 1995 gelang ihr in Detlev Bucks Film „Männerpension“ der Durchbruch. Neben zahlreichen Theaterengagements hat sie u.a. im Millionenerfolg „Der Schuh des Manitu“ deutsche Filmgeschichte geschrieben und anschließend neben John Malkovich und Gérard Depardieu vor der Kamera gestanden. Nach der gemeinsamen Arbeit in „Mitte Ende August“ macht sie sich nun in der Beziehungskomödie „Irre sind männlich“ erneut an ihren Leinwandpartner Milan Peschel heran, wie man jetzt im Kino erleben kann.
choices: Frau Bäumer, was für ein Mensch ist Sylvie?
Marie Bäumer: Eine Frau, die genau weiß, was sie will, aber nicht zum Ziel kommt bzw. Bindungsschwierigkeiten hat. Auf der Suche nach einem männlichen Begleiter nutzt sie den therapeutischen Rahmen.
Glauben Sie, dass der „Familienaufstellung“ auch schon Elemente der Realsatire innewohnen, da diese im Film als Aufhänger für Situationskomik genutzt wird?
Ich habe vor zwei Jahren mal ein Seminar mitgemacht, weil ich eine Therapeutin kennengelernt habe, die in diesem Bereich eine Koryphäe ist und international Therapeuten im „Leute aufstellen“ ausbildet. Das war hochinteressant, aber weit weg von jeder Komik. Da geht es wirklich um elementare Konflikte oder Fragen, die innerhalb der Ursprungsfamilie liegen, und es ist zumeist ziemlich intensiv und extrem, was da an emotionalen Verwirrungen und Verknotungen ans Licht gebracht wird. Das ist für die Teilnehmer emotional auch sehr belastend. Die Familienaufstellung ist von dieser Therapeutin sehr gut und liebevoll begleitet worden, die Dinge wenden sich am Ende immer irgendwie zum Guten oder zu etwas Erlösendem. Meiner Meinung nach eignet sich Komödie sehr gut, um auch den abgründigen Bereichen und Themen auf die Spur zu kommen. Solange es nicht zynisch ist, ist das auf jeden Fall ein gutes Mittel. Allein schon die Dynamik, die entsteht, wenn sich die unterschiedlichen Leute der Gruppe im Raum vorstellen, hat etwas Komisches.
Ihre Mutter arbeitet als Ergotherapeutin, haben Sie selbst auch Erfahrungen mit „familieninternen Sitzungen“ gemacht?
Meine Eltern haben so ziemlich alles an Therapien ausprobiert, was man sich vorstellen kann, bis auf Analysen vielleicht. Deswegen habe ich so eine Art Anti-Tendenz entwickelt, aber irgendwann modifiziert man die Dinge und überdenkt, was davon für einen selber stimmt und was nicht. Dadurch habe ich dann meine Anti-Haltung Therapeuten gegenüber wieder etwas aufgelöst beziehungsweise angepasst (lacht).
Sie sind gleichermaßen in Dramen und Komödien aktiv und erfolgreich. Unterschreiben Sie die allgemeine Aussage, dass Komödie schwerer zu spielen ist?
Ich finde schon! Ich bin immer wieder beeindruckt von guten Komödianten und fühle mich selbst sicherer im dramatischen Bereich und nicht besonders begabt im Komischen. Ich bin total glücklich, wenn ich einen Ausflug in den komischen Bereich mache und erkenne dabei die Unterstützung durch den Regisseur und den Leinwandpartner, wodurch es dann am Ende auch von meiner Seite funktioniert. Aber ich habe großen Respekt vor Komödie.
Was macht eine gute Komödie am ehesten aus – ein guter Regisseur, oder dass schon das Drehbuch pointenreich geschrieben ist?
Wenn man im Genre Komödie nicht hochbegabt ist, dann ist das ohne ein gutes Buch wirklich fast nicht zu schaffen. Auf diesen Schienen muss man erst einmal sicher stehen. Viele der Pointen entstehen durch den Schlagabtausch der Dialoge oder auch durch Situationen, die das Drehbuch vorgibt. Aber natürlich ist es auch wichtig, einen Regisseur zu haben, der sich ein Stück weit mit dem Genre auskennt und auch ein Gespür dafür hat. Wichtig ist auch die Gunst der Stunde, dass die Chemie mit dem Partner stimmt, dass man seine Figur mag und dass man die Rolle auch mit Lust spielt. Diese Lust vermittelt sich meiner Meinung nach immer auch dem Zuschauer. In diesem Film hat mir meine Figur wahnsinnig viel Spaß gemacht (lacht).
Ihre Figur „Sylvie“ erweist sich als starke Frau, wie Sie sie häufig spielen. Würden Sie sich privat auch als starke, durchsetzungsfähige Frau charakterisieren?
Ich denke, partiell schon. Ich selbst wäre in Sylvies Situation aber trotzdem anders vorgegangen (lacht). Ich glaube nicht, dass ich mich getraut hätte, so radikal vorzugehen und damit nicht die Hoffnung zu verlieren, die Grundlage für eine Annäherung zu zerstören. Aber das hat ja ein bisschen was Märchenhaftes.
In der ersten Szene des Films sieht man Sie im Dirndl, ein für Sie eher ungewohntes Outfit – oder tragen Sie privat auch schon mal gerne Dirndl?
Nein! Privat habe ich mich einmal dazu überreden lassen, aber selbst, wenn ich dafür bezahlt würde, würde ich das nicht noch einmal machen. Ich finde Dirndl auf ihre Art entzückend – jede Frau, die dabei Spaß hat, soll das gerne tragen. Aber als Hamburger Deern ist das für mich irgendwie wie fremdbestellt. Zur bayerischen Kultur gehört es dazu, und ich finde es toll, dass sie sich das bewahrt haben und dass auch junge Mädchen heutzutage noch ihren Spaß damit haben. Mein Kostüm im Film habe allerdings ich vorgeschlagen, weil ich Sylvie als eine Art „Themenfrau“ charakterisieren wollte, die sich selbst zu jedem Landstrich, in dem sie sich gerade befindet, ein Thema gibt. Das hat die Kostümbildnerin dann ganz begeistert aufgegriffen. Ihr Look war eigentlich ein bisschen anders geplant. Ich warf dann ein, dass Milan Peschel und ich ja das komische Paar des Films darstellen und dass man bei uns mal etwas Extremeres ausprobieren könne und nicht in einem klassisch nachvollziehbaren Modus bleiben müsse. Man kann das einfach behaupten, dass Sylvie Spaß daran hat und sich auch ein bisschen verkleidet. Denn sie geht exzessiv durch die Seminare und stellt jedes Mal jemand anderen dar. Sie probiert sich aus und nutzt jede Strategie, die ihr irgendwie einfällt. Aber um genau zu sein: Was sie in der Szene trägt, ist kein klassisches Dirndl, sondern nur das Oberteil eines Dirndls in Kombination mit einer Lederhose!
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