Sind es die Spätfolgen des Strukturwandels? Oder die Vorboten der Finanzkrise? Oder vielleicht sogar beide? Im Ruhrgebiet sind erste Menetekel eines kulturellen Ausverkaufs zu erkennen. Essen, Oberhausen, Mönchengladbach, Hagen – kaum eine Kommune, die nicht in bedrohlichen finanziellen Zwängen steckt. Da Kultur immer noch als freiwillige Leistung gilt, ist dort der Rotstift am leichtesten anzusetzen. Noch wehren sich die Kommunen heftig dagegen. Nur zu gut weiß man, dass es wie beispielsweise in Essen gerade die Kultur ist, die für einen Imageschub der Stadt sorgt.
Sollbruchstellen sind derzeit häufig die Tarifsteigerung des öffentlichen Dienstes, die von vielen Häusern nicht mehr getragen werden können. In Essen war die Blamage um den Intendanten des Konzerthauses kaum ausgestanden, da ging es um Lohnsteigerungen. Das Defizit der TUP (Theater und Philharmonie), in der Oper, Schauspiel und Konzerthaus zusammengeschlossen sind, wird teilweise übernommen, der Etat bleibt aber weiter gedeckelt. Was also 2010 sein wird, steht in den Sternen. Dazu kam dann das Zögern des sich ab April zu „Ruhr.2010“ zurückziehenden Kulturdezernenten bei der Ausschreibung der Schauspiel-Intendanz, die durch den Weggang von Anselm Weber nach Bochum 2010 eilig wäre. Plötzlich tauchte das Gespenst einer Theaterfusion mit Oberhausen auf, die schnell wieder dementiert wurde. Am Theater Krefeld-Mönchenglabbach führte dies sogar zur absurden Konstellation, dass die eine Kommune einen Nachschlag gewährte, die andere nicht und dem Theater die Mehrkosten aufbürden wollte. Damit stand die Theaterehe zwischen beiden Städten auf der Kippe. Spannend die Frage, ob eigentlich andere Ämter der Stadt die Tarifsteigerungen ebenfalls selbst schultern sollen.
Eine der Ursachen des Übels liegt in der Überschuldung der Kommunen. Essen steht mit drei Milliarden in der Kreide. Oberhausen mit fast eineinhalb Milliarden Euro und unterliegt damit der Zwangsverwaltung der kommunalen Finanzaufsicht, die nicht nur die Ausgaben kontrolliert, sondern auch mit Sparvorschlägen aufwartet wie dem, den Theateretat um ein Viertel herunterzufahren – was das Ende bedeutet hätte. Wie die FAZ berichtete, war Oberhausen kürzlich sogar Thema in einer Anhörung im Kulturausschuss des Bundestages. In Bayern griff zuletzt die Landesregierung ein und übernahm gegen den Rat der Finanzaufsicht gesetzeswidrig den halben Etat eines Stadttheaters, um dessen Schließung zu verhindern. Nun rächt sich, dass die Länder in der Föderalismusreform von 2006 ihre Kulturhoheit festschreiben ließen und damit jede unmittelbare Kultursubvention des Bundes unterbanden – abgesehen von einmaligen Hilfsmaßnahmen über das Konjunkturpaket II. Man wagt sich gar nicht auszumalen, was passiert, wenn die Finanzkrise erst richtig durchschlägt und die Firmenpleiten zur Dauerschlagzeile werden wie derzeit die Börsenstände.
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