In Mozarts „Cosí fan tutte“ kleben sich die Liebhaber zweier Schwestern aus Ferrara einen Schnäuzer ins Gesicht und setzen einen Hut auf, dann klappt das Bäumchenwechseldich-Spiel mit den Damen: Der eine verführt die des anderen, die Wette gilt. Das funktioniert natürlich nur in der Oper, denn so blöd kann auch die blondeste Frau nicht sein. Es kommt noch schlimmer, denn das Hausmädchen der beiden Damen bekommt ebenfalls einen Hut und einen Bart, sie taucht als Doktor bei den angeblich erkrankten „Fremden“ auf, die bei den Damen mitleidige Fürsorge und wallendes Herzblut erfahren. Das schlägt dem Fass den Boden aus, sollte jetzt selbst der naivste Opernfreund meinen. Aber die Story ist herrlich, eine Komödie, Blödsinn halt. Auf Deutsch heißt der Titel „So machen es alle“. Das scheint eine bis heute gültige und in Köln gerade gespielte Wahrheit zu sein.
Wer die Internetseite der Kölner Oper anwählt, wird bombardiert mit lockenden Plakaten. „Interim verlängert“ prangt über ihnen als positiv formulierte Meldung zur Spielzeit 2015/16, die nun im Staatenhaus an der Kölner Messe realisiert werden soll. „Neuer Termin folgt“ ziert die Plakate, nur eine Lesereihe für Kinder startet pünktlich. „Das Lied der Frauen vom Fluss“, eine Opernproduktion auf einem Schiff, galt bislang nach dem Baustopp auf der Opernbaustelle als einzig sicherer Hafen für Kölner Sangeskunst. Auch diese musste wegen Niedrigwasser im Rhein abgesagt werden – das Schiff konnte nicht kommen.
Stürmischer Seegang herrschte auch bei der Findung der Interimsspielstätte. Zwei Hallen waren angetreten, um mit harten Bandagen für sich Stimmung zu machen. Das Staatenhaus, benannt nach den hier ausstellenden Staaten als Teilnehmer auf der „Internationalen Presse-Ausstellung“ von 1928, war Favorit der Oper und der Verwaltung, aber mehrere politische Lager machten sich für MMC-Hallen im Gewerbegebiet im Kölner Ortsteil Ossendorf stark, besonders deshalb, weil hier zeitweise mehrere Millionen € an Kosten eingespart werden könnten – der Konjunktiv regierte die Entscheidungsphase, weil wirklich objektiv verwert- bzw. vergleichbare Kostenrechnungen nicht vorgelegt werden konnten. Bis zur entscheidenden Ratssitzung: Da war plötzlich alles da. Und siehe: Die bevorzugte Innenstadtlage am Rhein war plötzlich sogar günstiger. Allerdings nur für einen Moment, denn da reduzierten die MMC-Studios spontan wie in einer Versteigerungshalle die Kosten um ein halbes Milliönchen. Zum ersten, zum zweiten, die BB Group als Mieter im Staatenhaus zog nach: Mehr als 400.000 € wurden da sehr effektiv eingespart. So werden Schnäppchen gemacht.
Allerdings wurde beim Staatenhaus eine Rechnung mit verschiedenen Unbekannten aufgemacht. Das Schicksal der Oper, also der wirklichen Oper am Offenbachplatz, deren Baustopp von diversen unbekannten Verantwortlichen, vielleicht mit Bärten und Hüten, lange weggebetet wurde, ist jetzt eine typische Kölner Baustelle. Sie darf ihr Alleinstellungsmerkmal „Unberechenbarkeit“ nun mit dem Staatenhaus teilen – wie die Damen in „Cosí“ ihre Männer.
Vorstellungen zu einem späteren Termin | Premiere: Neuer Termin folgt | www.oper.koeln
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