Pina Bausch, das ist unbestritten, hat den Tanz revolutioniert. Den immer gleichen hehren Gesten des klassischen Balletts setzte sie Bewegungen entgegen, die aus dem Innersten der Tänzer kamen. Es waren Bewegungen, die von Alltagsgesten bis hin zum kunstvollen Ausdruck innerlicher Befindlichkeiten reichten. Der zeitgenössische Tanz hat damit wieder eine Wahrhaftigkeit und Glaubwürdigkeit erhalten, wie sie zuletzt im Ausdruckstanz der zwanziger und dreißiger Jahre des letzten Jahrhunderts zu finden waren. Zu ihrer neuartigen Tanzsprache holte Pina Bausch auch den Gesang, die Sprache und die Gefühle selbst auf die Tanzbühne. Es wurde geweint und gelacht, erzählt und gesungen, geliebt und gelitten. Aus dieser Melange von Tanz und Theater wurde das Tanztheater geboren. Das war vor vierzig Jahren, 1973/74.
Pina Bausch ist vor vier Jahren gestorben. Ihr Tanztheater aber lebt weiter. Das heutige Publikum fühlt sich von der Wahrhaftigkeit dieses Tanzes noch genauso angesprochen wie das Publikum vor vierzig Jahren. Und doch war dieser Erfolg nicht selbstverständlich. Dazu gehörte damals ein Theaterintendant, der an den Tanz glaubte – bei heutigen Intendanten eher eine Ausnahme – und der Pina Bausch trotz erster türeschlagender Proteste die Leitung der Wuppertaler Tanzcompagnie übergab. Der Erfolg kam postwendend. Die Kraft der Unmittelbarkeit ihrer Arbeit stärkte das Ensemble, von dem einige Tänzerinnen und Tänzer noch heute dabei sind. Diese Unmittelbarkeit schlug in jedem Stück ein immer wieder neues Band zum Publikum, das sich in jedem Stück wiedererkannte. Inhaltlich kreist ihr Tanztheater um das Hauptthema der Geschlechterbeziehungen, die Hoffnungen und Bedürfnisse des Einzelnen im Konglomerat von Liebe, Nähe und Enttäuschung. Und wie das Leben selbst die skurrilsten Situationen schafft, so finden sich auch in Pina Bauschs Szenen viel Komik, Humor und Absurditäten der Realität.
Die Jubiläumsspielzeit 2013/2014 ist konzipiert als Hommage an Pina Bausch und bietet in einer umfassenden Werk-Retrospektive noch einmal Sternstunden des Tanztheaters. 42 Aufführungen von Stücken von Pina Bausch, 40 Aufzeichnungen, mehr als 40 Filme von, mit und über Pina Bausch und ein ebenso umfangreiches Rahmenprogramm mit bewegten und bewegenden Bildern, Konzerten befreundeter Musiker aus der ganzen Welt, Workshops, Ausstellungen, Installationen und vielen Begegnungen mit Künstlerfreunden von Pina Bausch runden das Programm ab.
Die Vorstellungen laufen vom 31. Oktober bis 25. Mai nächstes Jahr mit unterschiedlichen Schwerpunkten an verschiedenen Orten in Wuppertal und zusätzlichen Aufführungen des Tanztheaters an der Deutschen Oper am Rhein in Düsseldorf (Doppelprogramm: „Bamboo Blues“ /„Sweet Mambo“) und im Aalto Theater in Essen („Wind von West“/„Der zweite Frühling“/„Das Frühlingsopfer“). Das Rahmenprogramm gibt es ebenfalls in allen drei Städten; Hauptpartner in Düsseldorf ist das Tanzhaus NRW mit Stücken ehemaliger Tänzer von Pina Bausch.
www.pina40.de
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