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Elena Tikhonova im Gespräch an der ifs
Foto: David Savelsberg

Schaumwein und Skandale

08. Juli 2019

„Kaviar“ eröffnete die Kölner Kino Nächte – Foyer 07/19

Donnerstag, 4. Juli: Zum 11. Mal wurden dieses Jahr die Kölner Kino Nächte eröffnet. Die Internationale Filmschule Köln (ifs) zeigte die Culture-Clash-Komödie „Kaviar“ der Regisseurin Elena Tikhonova in ihrem Kinosaal. Ausgewählt hat den Film Oliver Baumgarten, Programmleiter für das Max-Ophüls-Festival, nachdem die Regisseurin im Januar in Saarbrücken den Publikumspreis entgegengenommen hatte. „Kaviar“ lässt Dolmetscherin Nadja (Margarita Breitkreiz) gegen ihren Boss antreten, den Oligarchen Igor (Mikhail Evlanov). Dieser versucht sich mit Schmiergeld eine Villa auf der Wiener Schwedenbrücke zu erschleichen, mitten im schicken 1. Bezirk. Doch Nadja hat andere Pläne: Mithilfe ihrer Freundinnen versucht sie Igors österreichische Kontaktmänner Klaus (Georg Friedrich) und Ferdinand (Simon Schwarz) um drei Millionen Euro zu bringen. Es entwickelt sich eine abwechslungsreiche Jagd auf das Geld, voller Wortwitz und Überraschungen, bei dem bis zum Ende nicht ganz klar ist, wer eigentlich die Oberhand hat.

Georg Friedrich als Wiener Choleriker und Darya Nosik als russische Auswanderin Vera sind als ungleiches Ehepaar ein besonderer Höhepunkt des Films. Zwischendurch nimmt die Optik fast surreale Züge an, unterstützt von wunderschön animierten, Monty-Python-esquen Zwischentiteln. Unter der Komik liegt aber auch eine politische Moral, die jetzt, kurz nach dem Bekanntwerden der Ibiza-Affäre um den österreichischen Ex-Vizekanzler Heinz-Christian Strache von der FPÖ, besonders deutlich wird. Während die Österreicher im Film immer darauf pochen, dass bei ihnen alles rechter Dinge zuginge („Wir sind hier ja nicht in Russland!“), brechen sie ihre Regeln nur zu bereitwillig, sobald Igor einen Koffer voller Bargeld zückt.

Elena Thikonova ist Russin und Österreicherin und es sei ihr eine Herzensangelegenheit gewesen, beiden Kulturen gerecht zu werden, sagt sie im Publikumsgespräch nach dem Film. Seit 19 Jahren lebe sie in Wien und habe sich in die Stadt verliebt, trotzdem habe sie ihre Wurzeln nie vergessen. Das Einzige, was in ihrer Wahlheimat fehle: „Ein Meer, dann wäre die Stadt perfekt.“

Um dem Witz des echten Lebens nahe zu kommen, haben Thikonova und ihr Schreibpartner Robert Buschwenter lange recherchiert. Die Regisseurin zitiert Erfahrungen aus ihrem eigenen Freundeskreis, um die drei weiblichen Hauptcharaktere besonders lebensecht wirken zu lassen. „Ich bin so eine Art Psychotherapeutin für meine Freunde und da sind wirklich interessante Leute dabei – von Fitnesstrainerin bis Interpol-Agentin“, so Thikonova. „Hinter jedem Charakter gibt es einen Mensch, über den ich schreibe.“

Angesprochen auf den politischen Aspekt positioniert sich Thikonova klar: „Ich bin Marxistin“, und zitiert kurzerhand auf Russisch Karl Marx’ Leitsatz: „Jeder nach seinen Fähigkeiten, jedem nach seinen Bedürfnissen.“ Von Anfang an sei der Film als politische Satire geplant gewesen und das Thema ziehe sich als Leitlinie hindurch. Deshalb sei es ihr auch so wichtig gewesen, den Skandal, der den Film trägt, möglichst realitätsnah erscheinen zu lassen. Tikhonova sei glücklich über die PR, die ihr Film durch die Ibiza-Affäre erhalten habe, doch die unbeabsichtigte Nähe habe natürlich einen bitteren Beigeschmack, wenn man bedenke, dass so etwas wirklich passiere. Sie und Robert Buschwenter hätten viel Recherchearbeit betrieben und dabei festgestellt: „Das Gedächtnis der Bevölkerung ist so kurz, dass die schon vergessen haben, was alles passiert ist.“ Die Korruptionsaffäre der FPÖ in Kärnten, die 2012 ans Licht kam, der tödliche Autounfall unter Drogeneinfluss von Jörg Haider 2008 und auch die Bankenkrise seien Einflüsse für den Film gewesen.

Darya Nosik, Margarita Breitkreiz und Sabrina Reiter in „Kaviar“

Eine überraschende Antwort hat Elena Thikonova auf die Frage parat, ob die Besetzung auch ihre Wunschschauspieler gewesen seien: „Nein, eigentlich nicht. Fast der ganze Hauptcast ist mir zwei, drei Wochen vor dem Drehbeginn aus unterschiedlichen Gründen abgesprungen.“ Aber inzwischen könne sie das mit Humor sehen und hatte auch direkt eine Begründung dafür: „Es gibt an der russischen Filmhochschule einen Aberglauben, dass sich ein Projekt seine Schauspieler aussucht und nicht umgekehrt.“ Mit Margarita Breitkreiz, Georg Friedrich und Simon Schwarz seien dann nämlich erst nachträglich großartige Schauspieler zu ihr gestoßen. Auch als Oligarch verpflichtete sie eher zufällig einen russischen Darsteller.

Die Regisseurin zeigt sich erfreut über die bisherige positive Resonanz auf den Film. Im Juni sei sie mit „Kaviar“ auf dem Sydney Film Festival gewesen, wo sie die Produktion das erste Mal internationalem Publikum vorstellte. „Das habe ich auch zuerst mit Angst betrachtet, wie der Film dort ankommen würde“, gestand sie, aber die Einladung für die Kategorie „Europe! Voices of Women“, die speziell Filme von europäischen Regisseurinnen vorstellt, habe sie auf keinen Fall ausschlagen wollen. „Erstaunlicherweise, obwohl die Comedy oft aus Wortspielen bestand, hat es gut funktioniert und die Leute sind sogar zweimal in den Film gegangen.“ Und das obwohl sie selbst sagt: „Die Übersetzung ist eine Missgeburt.“

Angesprochen auf ihre Zukunft als Regisseurin sagt Thikonova: „Eigentlich komme ich aus der Dokumentarfilm-Ecke, aber ich bin jemand, der sich immer neu ausprobieren muss.“ Als nächsten Film plane sie zwar ebenfalls eine Komödie, aber sie schreibe auch an einem Thriller und einem Drama. „So schlimme Geschichten habe ich auch gern“, fügte sie hinzu.

Mick Mahler stellt seinen Abschlussfilm vor, Foto: David Savelsberg

Im Vorprogramm war am Donnerstag außerdem der Kurzfilm „Rocket Roaches“ zu sehen, den Absolventen der ifs als Abschlussfilm 2018 unter der Regie von Mick Mahler gedreht haben. Menschen haben sich nach dem Untergang der Zivilisation in eine virtuelle Welt geflüchtet und Kakerlaken die Erde übernommen. Jetzt versuchen diese mithilfe eines selbstgebauten Raumschiffs die Erde zu verlassen. Zu Problemen kommt es, als ein Mensch aus seinem künstlichen Schlaf erwacht, weil seine Hand im Weg liegt. Mahler sagte, er sei bei der Konzeption dieser Dystopie von dem angespannten politischen Klima beeinflusst worden, das nach der Wahl Donald Trumps US-Präsidenten geherrscht habe. Der Protagonist des Films erfasst nach der langen Ohnmacht seine Umwelt wie ein Kleinkind, tastend und schauend, und würde laut Mahler durch den technischen Fortschritt der Kakerlaken langsam wieder daran erinnert, welches Potential in der Realität und in der Menschheit stecke. Diese hoffnungsvolle Note sei ihm als Moral des Films sehr wichtig gewesen. Und auch die Figuren würden ihn weiter begleiten: „Zusammen mit zwei Produzenten des Kurzfilms arbeite ich gerade an einer Animationsserie über die Kakerlaken.“

David Savelsberg

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