Das Anneliese Brost Musikforum Ruhr ist in den Jahren vor Corona richtig durchgestartet. Selbst mit dem begrenzten Platzangebot für große sinfonische Taten wird improvisiert, wiederholt und getrickst. Für Kammermusik mit sagenhaften Pianisten im Rahmen des Klavier-Festivals Ruhr bietet der Raum ideale Voraussetzungen in der Neustart-Phase der Kultur: Mit reichlich Chopin lassen Weltklasse-Pianisten die Tasten tanzen.
Jan Liesicki hat im Mai eröffnet, jetzt folgt im Juni zunächst Ivo Pogorelich. Der Beau aus Belgrad, Wunderkind, dann Student in Moskau, erlangte sehr ungewöhnlich bereits mit 22 Jahren Berühmtheit. Als er beim sehr prominenten Chopin-Wettbewerb in Warschau frühzeitig aus dem Rennen schied, verließen einige berühmte Richter die Jury, darunter der All-Time-Star Martha Argerich mit dem Satz: „Der Mann ist ein Genie!“ Mehr als vier Jahrzehnte später können dies die Klavierfans in Bochum eigens überprüfen, denn der gereifte Pianist spielt ein reines Chopin-Programm.
Wer jemals ein Brahms-Klavierkonzert mit Yefim Bronfman erleben durfte, der weiß, dass auch ein großes Orchester seinen Meister finden kann. „Bronfman der Brontosaurier! Mr. Fortissimo!“ hat der amerikanische Schriftsteller Philip Roth diese Urgewalt an physischer Präsenz genannt. Bronfman benötigte keine spektakulären Preise, Skandale oder Seltsamkeiten:Bei aller darstellerischen Power, es sind die ganz leisen Töne, die dieser grandiose Techniker aus dem Flügel zaubert und die wirkungsvoller klingen als die härteste Attacke.
Der im usbekischen Taschkent geborene Künstler, wie Pogorelich Jahrgang 1958, interpretierte mit zwölf Jahren das 1. Klavierkonzert von Rachmaninow. Seit 1989 besitzt er die amerikanische Staatsbürgerschaft, in Amerika hat er bei legendären Koryphäen studiert, einmal erhielt er hier einen Grammy. In Bochum spielt er Sonaten von Bartók, Beethoven und Chopin.
Anfang Juli legt das Festival in Bochum noch einen drauf und präsentiert ein Klavier-Duo der Spitzenklasse: Die Jussen-Brüder begeistern schon durch ihre jugendliche Kraft, durch dieses gewachsene blinde Verständnis vierhändig oder an zwei Klavieren. Mozart, Schubert, Mendelssohn steigern sich zu Schostakowitsch und sogar einer Uraufführung des Festival-Auftrags an Jörg Widmann: „Bunte Blätter“ winken mit vier Händen zum Abschied.
Klavier-Festival Ruhr | 2., 20.6., 3.7. | Musikforum Ruhr, Bochum | www.klavierfestival.de
Hat Ihnen dieser Beitrag gefallen? Als unabhängiges und kostenloses Medium sind wir auf die Unterstützung unserer Leserinnen und Leser angewiesen. Wenn Sie uns und unsere Arbeit finanziell mit einem freiwilligen Betrag unterstützen möchten, dann erfahren Sie über den nebenstehenden Button mehr.
Sinfonische Vollender
Gil Shaham in der Kölner Philharmonie – Klassik am Rhein 11/24
Aus Alt mach Alt
Tage Alter Musik in Herne 2024 – Klassik an der Ruhr 11/24
Weiblicher Beethoven
Emilie Mayers 5. Sinfonie im Konzerthaus Dortmund – Klassik an der Ruhr 10/24
Ein Himmel voller Orgeln
Zwei Orgelfestivals in Köln und Düsseldorf – Klassik am Rhein 10/24
Nach François-Xavier Roth
Der Abgang des Kölner GMDs sorgt für Umbesetzungen – Klassik am Rhein 09/24
Barock und Filmmusik
Open-Air-Konzerte „Viva Italia!“ im Ruhrgebiet – Klassik an der Ruhr 08/24
Exotische Musik
„Sounds of Nature“ und „Diálogos de amor“ beim Niederrhein Musikfestival 2024 – Klassik am Rhein 08/24
Akademische Bürgernähe
Michael Ostrzyga dirigiert „Elias“ in Bergheim und Köln – Klassik am Rhein 07/24
Pop-Hit trifft düstere Rarität
Semesterkonzert an der RUB – Klassik an der Ruhr 07/24
Bruckners „verfluchte“ Neunte
„Von Herzen – Letzte Werke“ in Bochum – Klassik an der Ruhr 06/24
Mit Hochdruck bei der Arbeit
Die Orgelfeierstunden im Kölner Dom – Klassik am Rhein 06/24
Träume aus alten Zeiten
Zamus: Early Music Festival 2024 in Köln – Klassik am Rhein 05/24
Mit virtuoser Blockflötistin
33. Festival Alte Musik Knechtsteden in Dormagen und Köln – Klassik an der Ruhr 09/24