Der Karneval ist kurz, danach folgt die Fastenzeit. Während manche Häuser mit „Einer flog über das Kuckucksnest“ das anarchische Spaßprogramm fahren (Oberhausen, Bochum), malen sich andere das brutalstmögliche Aschekreuz auf die Stirn. Am Schauspiel Essen feiert Intendant Anselm Weber das Gebot der Fleischabstinenz mit dem Kannibalismus und inszeniert „Titus Andronicus“ (23.2.). Shakespeares Stück spielt in einer prä- oder postzivilisatorischen Gesellschaft, in der nur noch die Gesetze der Ehre, Blutrache und Vergeltung gelten. Im blutrünstigen Schlachtfest vergewaltigen, metzeln und verspeisen der römische Feldherr Titus und die Gotenkönigin Tamora wechselweise die Kinder des jeweils anderen. Ein Quid pro Quo des Fleisches, das für den Karneval wie gemacht scheint.
Als kleine Bosheit muss man wohl auffassen, dass die gebürtige Kölnerin Karin Beier am Schauspielhaus der Domstadt die erste Februarpremiere auf den Karnevalssamstag legt. Nach vermutlich lustigen Endproben bringt Regisseurin Jette Steckel „Fremdes Haus“ von Dea Loher (2.2.), ein Stück über Exilanten während des Jugoslawienkrieges in Deutschland, auf die Bühne der Schlosserei. Die erst 25jährige Regisseurin gilt als eine der begabtesten ihrer Generation. Im März letzten Jahres hat sie ihre Diplominszenierung in Hamburg vorgestellt. Danach bewies sie bei der Uraufführung von Darja Stockers „Nachtblind“ ihr stupendes Können und wurde von „Theater heute“ zur Nachwuchsregisseurin des Jahres gewählt. Nicht minder hoch gehandelt wird derzeit auch der 34jährige Laurent Chétouane, der den einen als Scharlatan, den anderen als Heils- bringer einer neuen Ernsthaftigkeit und Textgläubigkeit gilt. Seine aus der fran- zösischen Theatertradition stammende bewegungsar-me, aber rhetorisch ausgefeilte Bühnensprache widmet sich in einem Doppelprojekt zwei höchst anspruchsvollen Dramenfragmenten: Hölderlins „Empedokles“ und Brechts „Fatzer“ (22.2.). Dramatische Fragmente, die höchst unterschiedlich auf das Scheitern der Revolutionen von 1789 und 1918 reagieren. Als Schmankerl der Fastenzeit gastiert immerhin das NT Gent um Regisseur Johan Simons am Rhein. Simons, der ab 2010 Intendant an den Münchner Kammerspielen wird, bringt seine Inszenierungen „De Asielzoeker“ und „Platform“ (nach Michel Houellebecq) mit (15./16.2.).
Was ist eigentlich in Düsseldorf los? Bis heute hat die Stadt es nicht geschafft, das „Central“, das neue Experimentierzentrum des Schauspielhauses am Hauptbahnhof, fertig zu stellen. Nach Februar 2007 ist jetzt Mai 2008 anvisiert. Am Gustaf Gründgens-Platz wird erst einmal Schauspielerinnenpower angekündigt: Melanie Kretschmann übernimmt die Titelrolle in Schillers „Maria Stuart“ (Regie: Stefan Bachmann, 29.2.), und Christiane Paul spielt die Anna in Tschechows „Iwanow“ (Regie: Amélie Niermeyer, 23.2.). Bei aller Freude über die beiden Gäste stellt sich allerdings die Frage, ob solche Rollen allen Ernstes nicht aus dem eigenen Ensemble zu besetzen sind.
Infos unter: www.duesseldorfer-schauspielhaus.de, www.schauspielkoeln.de, www.theater-essen.de.
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