Zwölf Komik-Fachkräfte kamen am 28. und 29. April im Bonner Pantheon auf den Prüfstand. Jeweils 20 Minuten Zeit hatten sie, um Jury und Publikum von ihren unterschiedlichen Qualitäten zu überzeugen. Gehen wir gleich in medias res und präsentieren die Ausgezeichneten und Besten unter ihnen.
Den Publikumspreis „Beklatscht und Ausgebuht“ holte sich Frank Fischer. Er verbindet eine exzellente Alltagswahrnehmung mit dem Gespür für Pointen und Parodien, die sich daraus destillieren lassen. Bisweilen reicht es auch völlig aus, das Vorgefundene einfach im O-Ton wiederzugeben. So wie den Teilnehmer einer Radio-Kuppelshow, der sich mit schwäbischem Akzent als „heiterer Zeitgenosse, der in seiner Freizeit gerne lacht“ vorstellt. Radio und TV, und dabei insbesondere die Werbespots, sind nach wie vor eine Fundgrube der Komik. Wie Fischer im Laufe seines Kurzprogramms selbst anmerkte: „Comedy ist überall“. Zum Beispiel an Bahnhöfen, wo sich immer Hilfe suchende Ortsunkundige finden lassen. Dort weist er einen ausländischen Fahrgast, der die S-Bahn sucht, auf die entsprechenden „S“-Schilder mit den Worten hin: „Follow the big S“ – und deutet dabei zufällig auf eine korpulente Frau, die gerade in Richtung des Schildes unterwegs ist.
Die Schweizer kiffen am meisten
Der „integrationswillige Niederländer“ Philip Simon demonstrierte auf einleuchtende Weise die Vorteile des Verrückt-Seins und ist natürlich der geborene Experte für alle Fragen rund ums Kiffen. Spitzenreiter in dieser Disziplin sind allerdings nicht seine Landsleute, sondern laut einer Studie die – Schweizer. Das hätte man sich denken können, so Simons zwingende Analyse, angesichts solch seltsamer schweizerischer Erfindungen wie der vorderzahnzerstörenden Toblerone-Schokolade und des Armee-Taschenmessers mit Feile, Dosenöffner und Korkenzieher.
Auch Philip Simon hält die Jury für "Frühreif und Verdorben" |
Von Schweizer Absonderlichkeiten ist es nur ein kleiner Schritt zur Politik. Der Blick in die niederländische Heimat kann angesichts des Erfolgs der dortigen Rechtspopulisten nicht freundlich ausfallen. Allerdings werde sich das Problem vermutlich irgendwann von selbst erledigen, wie eine vergleichende Betrachtung der Spitzenpolitiker in den Niederlanden und Österreich, Wilders und Haider, zeigt: „In Holland gibt es auch viele lange Straßen mit Bäumen.“ Philip Simons gekonnter und unangestrengter Wechsel zwischen Skurrilitäten und politischem Kabarett kam beim Pantheon-Publikum ebenso gut an wie bei der Jury, die ihm den Preis in der Kategorie „Frühreif und Verdorben“ zuerkannte.
Abrechnung mit „intelligent design“
Teilen musste sich Simon diese Auszeichnung mit Gunkl alias Günther Paal. Der Wiener erwies sich in seinem erhellenden philosophischen Vortrag als ebenso guter Erzähler wie Erklärer und stellte vorgefasste Meinungen und überlieferte, verfestigte Vorstellungen in Frage. Zur Hochform lief der „bekennende Privatagnostiker“ auf, als er religiöse Dogmen und pseudowissenschaftliche Vorstellungen vom „intelligent design“ aufs Korn nahm. Da lieferte er beste Argumentationshilfen für alle Agnostiker und zeigte auf, dass es, wenn man die Kreationisten ernst nähme, eine Regel geben müsse, die über Gott stehe. „Irgendwie enttäuschend, nicht?“
Gunkl, bürgerlich Günther Paal, wurde als "Frühreif und Verdorben" ausgezeichnet |
Ein durchaus anspruchsvoller Ansatz, der den Zuschauern eine gewisse Konzentration abverlangt. Doch mit der Erfahrung aus bereits neun Soloprogrammen gelingt es Gunkl, den Spannungsbogen zu halten und seine Herleitungen und Widerlegungen typischer Alltagsblödheiten immer wieder auf den Punkt zu bringen. Das Timing der Pointen stimmt, und ein angemessenes Quantum Schmäh ist auch in der Mischung enthalten.
Der scheinbar nette Nerd von nebenan
Zu den weiteren Höhepunkten zählte der Auftritt von Kristian Kokol, der als vermeintlich netter jugendlicher Nerd mit Brille und Kappe daherkam, dann aber schnell via Fernsehen, Facebook, SchülerVZ (wo er auf seinen „Freund“ Silvio Berlusconi trifft) zu alkoholseligen Partys und unappetitliche Katerzuständen am Morgen danach wechselte. An der Gürtellinie angelangt, stoppte er, bevor es „zu pornös“ hätte werden können.
Alles sehr gut aus dem Alltag ins Absurde abgeleitet, und sehr gekonnt in einer Mischung aus Jugendlichen-Slang und Kurt Krömer dargeboten. Einmal in Fahrt gekommen, war Kristian Kokol kaum zu bremsen. Da musste Moderator Rainer Pause schon am Bühnenrand Aufstellung nehmen und Kokol dergestalt daran erinnern, dass jedem Teilnehmer nur 20 Minuten zur Verfügung standen. Fest steht: Der Mann hat Potenzial und wird es noch weit bringen. Wer bereits in jungen Jahren frech und souverän Zeitvorgaben ignoriert, bekommt irgendwann seine eigene Fernsehshow, wetten, dass?
Katze verliert gegen Hund
Auch Götz Frittrang lieferte eine viel versprechende Vorstellung ab. Sein Geschäft ist ebenfalls die lustvolle und wortgewaltige satirische Abarbeitung des alltäglichen Blödsinns, basierend auf ebenso präziser Eigen- wie Fremdbeobachtung. Besonders vergnüglich geriet seine vergleichende Untersuchung der Haustiere Hund und Katze, nach denen sich ja auch Menschentypen kategorisieren lassen. Selbst wenn man für beide Tiere weder besondere Sym- noch Antipathien hegt (die Antipathien gehören wenn eher den Haltern), muss man nach Frittrangs Gegenüberstellung konzedieren, dass die Katze eindeutig überbewertet ist: „Katzen verachten Menschen. Sie kotzen ihnen vor die Füße und gucken sie dann mit diesem Blick an, der sagt: Mach weg!“ Und dass Katzen intelligenter seien als Hunde, gehört nun endgültig ins Reich der Fabel: „Was gibt es denn für Katzenberufe? Blindenkatze, Bergkatze, Schlittenkatze? Oder am Flughafen Drogenkatzen?“ Frittrangs höherer Blödsinn sollte allemal genügend Stoff für ein abendfüllendes Programm bieten.
Berliner Schmäh
Unbedingt lohnenswert scheint nach einem sehr starken Auftritt im Pantheon ein Besuch von Tilman Birrs erstem Soloprogramm „Das war hier früher alles Feld“. Birr begann mit der schönen Geschichte „Dein Führer“, in der er als „Stadtbilderklärer“ in Berlin auf einen bayerischen Touristen trifft. Bei dem handelt es sich um einen „Schlussstrichler“, der ihn in einem völlig unverständlichen, von Birr überzeugend verstümmelten Bayerisch mit Fragen zu Drittem Reich und Zweitem Weltkrieg so lange bombardiert, bis fast alle anderen Teilnehmer seiner Führung verschwunden sind, von denen er sich Trinkgeld erhofft. Hier stimmte alles, inklusive Pointen und Timing. Gleiches gilt für Birrs anschließende Nummer, in der er mithilfe von Gitarre und Sample-Gerät das Prinzip der Schichtung und Wiederholung demonstriert, nach dem die Musik des immer eine Spur zu süßlichen Films „Die fabelhafte Welt der Amélie“ entstanden ist. Analog zum Off-Kommentar dieses Films entwickelt Birr zu den sich türmenden Gitarrenakkorden und -linien eine herrlich absurde Geschichte, in der sich die Wege von normalen und weniger normalen Zeitgenossen aus Gelsenkirchen, Bottrop, Lemgo, Berlin und anderswo kreuzen. Zum Abschluss gab er eine gelungene Reinhard-Mey-Parodie über „Berlin ohne Berliner“, die in der Erkenntnis gipfelt: „Ohne Berliner / muss die Freiheit wohl grenzenlos sein“.
Die letzte Empfehlung gilt Philipp Scharri, dessen Betätigungsfeld die Sprache ist, mit Spezialgebiet Reim (inklusive Rap). Eine Kostprobe rasanter Reimkaskaden gab er gleich in der Auftaktnummer als rückenkranker „Turbo-Hypochonder“ mit „Infektionshintergrund“. Ins Laufen kam der Turbo mit der schön schmalzigen, zum Piano gesungenen Ballade „Steh zu deiner Bank“ und einer anschließenden Betrachtung über Politik und den Wandel der Sprache. Letzteren demonstrierte Scharri am Beispiel eines Sprechers mit Migrationshintergrund, dessen Definition von „Mähdrescher“ lautet: Das ist jemand, der Schafe verprügelt.
Gegen Anglizismen hat Scharri im Übrigen nichts einzuwenden. „Anglizismen bashing rules“ sei mit ihm nicht zu machen, das grenze ja an „Antisemantismus“. Zum Abschluss präsentierte er ein Gedicht über ein Verb, das unbedingt ein Nomen werden wollte. Darin verschränken sich ebenso kunstvoll wie vergnüglich die Wortfelder Sprache/Grammatik und Sexualität/Pubertät miteinander. Alles in allem eine überzeugende Vorstellung. Somebody to watch, wie wir Überflüssige-Anglizismen-Basher zu sagen pflegen.
Prix Pantheon im Fernsehen
Diese selbstredend völlig subjektiven Einschätzungen können Sie In Bälde überprüfen: Das WDR-Fernsehen sendet am 22.5. (Teil 1) und 29.5. (Teil 2) jeweils um 23:15 Zusammenfassungen beider Wettkampftage.
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