Wenn es um Sparmaßnahmen geht, steht der Tanz fast immer in der ersten Reihe, geht es um Fördermaßnahmen, muss er sich dagegen meist ganz hinten anstellen. Dies zu ändern ist eines der erklärten Ziele der Landesregierung. Neben der dreijährigen Spitzenförderung von Compagnien, dem International Dance Artist Service, der ab August seine Arbeit aufnimmt, soll vor allem das Festival Tanz NRW helfen, die Strukturen der Tanzlandschaft zu verbessern.
Aufgabe des Festivals sei es, so Bertram Müller, der Leiter des Tanzhauses NRW, Produktionen der letzten zwei Jahre aus NRW einem breiten Publikum, vor allem aber Veranstaltern zu präsentieren. Es geht also um eine Plattform, auf der sich die freie Tanzszene präsentiert. „Das Festival hilft, den Tanz sichtbar zu machen“, sagt Bertram Müller. Der Zweck ist dabei ein doppelter. Nach wie vor gilt, dass die zahlreichen freien Compagnien zwar regelmäßig produzieren, aber zu wenige Spielmöglichkeiten haben und kein Repertoire herausbilden können. Tanz NRW 09 soll hier Abhilfe schaffen und den Truppen helfen, sich über ihre Residenzstädte hinaus bekannt machen. So sei es vor zwei Jahren bei der Erstausgabe des Festivals silke.z:resistance oder Stephanie Thiersch und MOUVOIR gelungen, zahlreiche Kontakte zu knüpfen. In diesem Jahr gastieren unter anderem die Essenerin Henrietta Horn mit ihrer neuen Produktion „Schimmer“ in Krefeld und Köln, Samir Akika und das Renegade Theatre kommen nach Bonn, carolinesimon treten in Essen auf. Schade allerdings, dass der Wuppertaler Rudolfo Leoni nur oder die Essener Choreographin Claudia Lichtblau mit ihrer Compagnie nur in ihren Heimatstädten zu sehen sind.
Als langfristiges politisches Ziel des Festivals nennt Bertram Müller die stärkere Beteiligung der Kommunen an der Entwicklung der Tanzkunst in NRW; es gelte, die Verantwortung auf mehrere Schultern zu verteilen. Deshalb sei es wichtig, neben den Hauptantriebsmotoren wie Düsseldorf oder Essen gerade Kommunen wie Viersen, Krefeld oder auch Bonn über ein Festival wie Tanz NRW stärker einzubinden.
Ausgewählt wurden die 28 beteiligten Compagnien nicht von einer Jury, sondern von den Veranstaltern der sieben beteiligten Städte. Dass man dabei gleich vier Uraufführungen von Cocoon Dance, Luca Giacomo Schulte/Ornella Balestra, Laurent Chétouane und Henrietta Horn zeigen kann, ist weniger Programm als glücklicher Zufall. Tanz NRW 09 habe nicht das Geld, um als produzierendes Festival aufzutreten, sagt Bertram Müller. Das Budget von etwa 200.000 Euro, das etwa je zur Hälfte vom Land NRW und den Kommunen aufgebracht wird, sei dazu einfach zu knapp bemessen. Schon bei den sieben beteiligten Städten habe man im einen oder anderen Fall erhebliche Überzeugungsarbeit leisten müssen, Kommunen wie Dortmund und Münster hätten aber wegen der angespannten Haushaltslage nicht teilnehmen können. Doch Bertram Müller bleibt optimistisch: „Wir freuen uns über jede Stadt, die das nächste Mal dabei ist.“
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